21.10.2021,
Pocatky:
Ein Tag mit zwei Jahreszeiten
Um dort zu starten, wo wir gestern aufgehört haben: ,,wer Gegenwind nicht liebt, den mag der Rückenwind nicht." Was hätten wir alles getan, um Rückenwind zu haben. Gegenwind nie bei Tinder nach links gewischt, seine Nachrichten sofort beantwortet, Geschenke gebracht, auch zu Hochzeitstagen. Aber alles zu spät und es hat nicht gereicht. So starten wir in den Gegenwind aus Heraklion raus, Gruppe 2 kann Gruppe 1 halten und wir hängen gleich nicht nur im Gegenwind, sondern auch im Anstieg. Wir schlängen uns an Felsrücken lang, hängen hintereinander und bedauern, dass man nicht bergauf im Windschatten lutschen kann - ein echtes Gruppetto. Laut Wikipedia ,,gibt es im Gegensatz zur Spitzengruppe im Gruppetto eine außergewöhnliche Solidarität. Man hilft sich mit Essensrationen, Trinkflaschen, Ersatzteilen und Bekleidung teamübergreifend aus, da das gemeinsame Ankommen im Vordergrund steht." Dies trifft alles auf uns voll zu, auch wenn die Bekleidung erst eher während der Pause ausgetauscht wird. Wir tauschen Riegel, auch wenn sie keine Energie geben, geben uns Windschatten, noch zu fahrende Kilometer und Höhenmeter durch (nicht immer willkommen, wenn die Höhenmeter noch größer 1000 sind.) Am Abzweig in Anogia sind wir bereits 35,3 km gefahren und es fehlen immer noch 937 hm zum Gipfel, die Kräfte schwinden. Und der Winter kommt, morgens noch im Sommer am Meer losgefahren, wird es nun mit jedem Meter, den wir hochkommen, einfach nur kalt und als wir dann realisieren, dass es keine Fata Morgana, sondern wirklich Alex ist, stürzen wir uns nicht als erstes aufs Buffet, sondern ziehen alles an, was das Tagesgepäck hergibt. Da ist Gruppe 1 bereits am Skinakas-Observatorium, mit 1.737m dem höchsten Rennradpunkt Kretas nicht nur erfroren, sondern auch von Gruppe 2 mit Alexander infiltriert - die Transferverhandlungen laufen bereits, gestalten sich jedoch schwierig - einerseits hohe Ablöse von Gruppe 2 gefordert, anderseits schwerer Einstieg in die Gruppe über die Rolle eines Edelhelfers. So kommen sie schockgefroren die Stichstrasse vom Gipfel runter, wir machen uns auf und werden mehr als gefordert. Steile, schlechte Strassen, Kälte und kalter Wind lassen uns wissen, wer hier das Sagen hat, es geht vom Gipfel schnell wieder runter. Den Kältestab übergeben wir dann an Gruppe 3 und stürzen uns runter nach Anogia und werden stolz auf uns, wenn wir in der Abfahrt bibbernd sehen, was wir alles hochgefahren sind - wir sind die coolsten! Noch cooler ist die Gruppe 1, die dann auch den Anstieg zu den Berghütten Lakos Migerou meistern, ich habe selten eine so rote Steigung im Roadbook gesehen. Chapeau!
Wir rollen derzeit runter, wobei sich rollen und Gegenwind meistens ausschließen, nutzen Windschatten, machen eine kurze Mittagspause und führen eine empirische Studie zu positiven Effekten von Powernappig beim Rennradfahren durch. Es kommen noch zwei drei Wellen und wir können das Meer riechen. Im Gruppetto geht es dann zum Hotel, zum Strand und zum Schwimmen - vom Winter direkt in den Sommer, das erlebt man nur mit Quäldich. Empfehlenswert!
P.S. Ein Paar Hochzeitstage sind doch nicht vergessen worden, von den 126 km hatten wir ca. 10 km Rückenwind....