27.08.2021,
Jan:
Gestern Abend hatte ich bei der Etappenansprache betont, dass mit der heutigen Etappe wohl letztlich die Spannungskurve nicht mehr weiter aufgebaut werden könnte. Die bisherigen Etappen waren immer eine noch besser als die andere gewesen, das würde wohl heute nicht mehr möglich sein.
Zunächst geht es auf den
Col d'Izoard, der mich noch nie recht begeistert hat, auch wenn alle davon schwärmen. Danach durch die spektakuläre Guil-Schlucht nach Guillestre zu Norberts schon vorletzter Verpflegung (unglaublich), und dann in den
Col de Vars, der als des hässliche Entlein der Route des Grandes Alpes verschrien ist. Völlig zu Unrecht, wie ich mich erst letztes Jahr auf der Seealpenreise überzeugen konnte.
Der Tag beginnt mit einer Suchaktion für
gigi am Kreisverkehr in Briançon, der dort vor einigen Tagen seinen Handschuh hat liegen lassen. Es hätte ja sein können, dass wir ihn finden, und die ganze Gruppe hat eifrig mitgesucht. Leider nichts zu finden, gigi!
Nun geht es in den Col d'Izoard. Schlagartig lassen wir den morgentlichen Berufsverkehr Briançons hinter uns und tauchen in die Stille der Passstraße ein. Kaum Autos stören uns!
In Cervières biegt die Passstraße nach Süden ab, und bald tauchen wir in den kühlen Kiefernwald ein, in dem wir uns Kehre um Kehre nach oben schrauben. Schön ist es hier, unaufgeregt schön. Der Wald wird lichter, bald tauchen wir in den Almenbereich ein, in dem sich die Passstraße am Refuge Napoléon vorbei in weiten Kehren nach oben windet. Im Westen überragen die Grate des Crêtes des Granges die Szenerie, im Norden ragt eine massive Schuttwand in den Himmel, über der kaum noch Fels zur weiteren Erosion vorhanden ist. Dazwischen wir auf einem makellosen Asphaltband unter blauem Himmel. Richtig schön, viel schöner finde ich diese Seite als die berühmte Südseite über die Casse déserte.
Oben ist es warm, es weht kaum ein Lüftchen, wir machen Bilder und lassen uns Zeit, bevor wir usn in die rauschende Abfahrt stürzen. Hochgeschwindigkeitspassage am Ende der Kehren, dann passieren wir gerade gemütlich das Izoard-Dörfchen Arvieux, als zwei Tieffflieger gefühlte 50 Meter über dem Boden über uns hinwegdonnern.
Am Abzweig in Richtung Agnel sammeln wir uns, aber von unserer Gruppe fährt keiner links, wie Christoph zuvor aus Gruppe 1. Wir wenden uns nach rechts und kämpfen uns die Guil hinab gegen den Wind Richtung Guil-Schlucht, über der wir nochmals für 3 km leicht ansteigen. Tolle Ausblicke tief hinab in die Schlucht, die sich die Guil hier in den Sandstein gefressen hat.
Am Kreisverkehr wartet Norbert mit der Verpflegung. Vor ungefähr vier Wochen hat uns hier noch Natascha bei der Dauphiné-Rundfahrt verpflegt. Diesmal aber verlassen wir den Kreisverkehr in Richtung Süden, in Richtung Col de Vars, wo ich letztes Jahr bei den Monumenten der Südalpen schon ein Shooting mit Mark, Martin und Thomas veranstaltet habe. Heute fotografiere ich Isa, Lena und Kristin, bis Isa die Lust vergeht und die Flucht nach vorn antritt. Danke auch an Sven! Du hast die Rolle des müde abgeschlagenen Quotenmannes gekonnt ausgefüllt.
Nach der Durchfahrung der diversen Ortsteile von Vars wird es zäh. Isa und Kristin sind enteilt, und ich sage Lena, dass sie zufahren soll. Ich bin ziemlich fertig. Netterweise bleibt sie aber bei mir, und ziemlich abgekämpft erreiche ich den Col de Vars, wo auch die komplette Gruppe 1 noch in der Sonne sitzt. Zwei Tonics und eine Cola später kehren auch in meine müden Glieder langsam die Lebensgeister zurück.
Ewig sitzen wir in der Sonne und genießen den fehlenden Zeitdruck.
Als Christoph von seinem Agnel-Ausflug die Passhöhe erreicht, machen wir uns gerade fertig zur Abfahrt. Rauschend fallen wir gen Tal. Von hier muss ich auch nochmal auf den Vars fahren, da gebe ich gigi Recht!
Wir sammeln uns am Abzweig zum Col de Larche und drücken die letzten 8 km konzentriert weg.
Nun ist auch die vorletzte Etappe beendet. Wieder eine tolle Etappe, die meine eigenen eher niedrigen Erwartungen weit übertroffen hat! Wartet morgen wirklich schon der letzte, der allerletzte Anstieg der Tour? Ja, morgen geht's nach Nizza!
Ursprüngliche Etappenbeschreibung
Zwei Pässe stehen heute auf dem Programm. Der Anstieg zum Col d'Izoard beginnt direkt in Briançon, so dass die Beine schnell auf Hochtouren kommen müssen. Dafür können wir nun spüren, dass wir so langsam in den Süden kommen, die Gegend wird trockener und mediterraner. Am Col d'Izoard sollte man sich dann nicht allzu schnell in die Abfahrt stürzen, denn die verwitterte Landschaft, die Casse Déserte, auf der Südseite will entsprechend gewürdigt werden. Die Abfahrt führt uns bis nach Guillestre, wo es nahtlos in den zweiten Anstieg des Tages über geht: den Col de Vars. Dieser wird auf der Route des Grandes Alpes immer nur als Übergangspass angesehen, da der Skiort Vars nicht gerade schön ist, doch mehr als 1000 Höhenmeter wollen überwunden werden, so dass man ihn nicht auf die leichte Schulter nehmen sollte. Dann erreichen wir das Ubaye-Tal und können bis zum Etappenort Jausiers gemütlich ausrollen lassen.