22.07.2020,
hagen306:
Wie schrieb doch Rhön-Pionier
tobsi einst: „Die einzige richtige Auffahrt zum
Ellenbogen beginnt in Reichenhausen...“ Hier erwartet uns auch die eher unscheinbare „Applauskurve“ – „Schauplatz vieler epischer Radsport-Kämpfe“ (hätte sicherlich unser
Jan geschrieben). Gestern Abend war es wieder mal soweit:
Wie immer habe ich mit dem „Tier“ (Name gändert) vereinbart, es auf den heutigen 140km über die Lange Rhön nicht zu übertreiben. Das gelingt ganz gut, da es genug Lokale mit Kuchen gibt („Ein guter Kuchen geht dem schönen Weibe vor“). Und nach den süßen Pausen kommen wir immer schwerer in die Gänge. Mittlerweile 3 Stunden herrscht „rhythmische Koexistenz“ beim Pedalieren, wer hätte das gedacht?
Der Frieden findet am Fuße zum Ellenbogen ein jähes Ende. Weiter oben vor uns erspähen wir die Silhouette eines Radfahrers. Schnell ist klar: Kein E-Bike. Ein Rennrad. Kein Profi. Ein echter Gegner. Reflexartig wandert die Kette nach rechts. Wir sind im Anflug und diskutieren die wohl beste Stelle und Strategie für unsere unwiderstehliche Attacke, die uns unsterblich machen wird: Gleich unten soll es in die Vollen gehen.
Nach der ersten Überholung (wir grüßen wie immer freundlich) ist klar: Der leicht ergraute Bursche ist zäh und bleibt dran, geht sogar mal vorbei. Die von Tobsi beschriebenen gleichmäßigen 6% reichen also noch nicht. Wir schauen uns an: Zeit für die Wildschweintaktik: wilde Rhythmuswechsel und das auch noch zu zweit. – Dieser Berg macht Spaß! Aber der Bursche bleibt irgendwie dran, da er sich nicht zu 100% auf unsere Provokation im tänzelnden Wiegetritt einlässt und ein paar Körner spart. Vermutlich ein alter Lizenzfahrer.
Nunmehr wird klar: Wir müssen an der Schlüsselstelle des Anstiegs nachlegen – Tobsi schreibt: „Im Mittelteil sorgt ein kurzes 500 m langes Steilstück für erste Schmerzen beim Radfahrer“. Es geht hübsch gerade über die Wiesen hinauf. Die Hohe Geba thront hinter uns im Osten. Ist uns aber gerade egal, denn wieder wandert die Kette nach rechts...und ab! Wie immer lasse ich dem Tier den Vortritt und schaue, was der „Gegner“ so macht. Jawoll – er geht mit, aber ich sehe die Schmerzen in seiner Wade – und trotzdem hat er Spaß. Jetzt muss ich nachziehen...jawoll – Antritt, vorbei, Tempo halten und dem Tier hinterher. Oh ha, das hat gesessen - das entscheidende Loch ist gerissen.
Gleich haben wir die „Applauskurve“ erreicht: Oft (also nicht nur beim Rhön-Radmarathon) pausieren am markanten Linksknick Wanderer, genießen den Blick auf das Leiden auf zwei Rädern und feuern an. So auch heute. Es wird Zeit für den Feinschliff: Nach der Kurve wird es etwas flacher – nochmal aufdrehen und dem „poursuivant“ endgültig davonfahren. Mission accomplished! Oben auf 814m warten wir und alsbald kommt unser Dritte im Bunde. Zeit für „shake ellbows“, Heldengeschichten und ein wenig Speichentalk beim Blick hinunter ins Grabfeld und hinüber zum Thüringer Wald. Die Sonne senkt sich nun schon, also ab nach Hause – Kuchen bekommen wir heute nirgendwo mehr. Dafür sind wir alle drei unsterblich und für die kommende Woche verabredet. Geschichten, wie die
Rhön sie schreibt. Fortsetzung folgt ;-)