09.07.2020,
Jan:
Heute meldet sich die Rennleitung aus dem Rifugio Garibaldi auf 2845 m Höhe mit Blick auf den Ortler, die Stilfserjoch-Straße nach Osten und den Umbrail nach Westen. Über uns kreist ein Bartgeier, wie Thomas kundig befindet.
Bergankunft am Stilfser Joch hat halt was. Unser Wetterglück wird mir auch langsam unangenehm, wieder kaum Wolken am Himmel. Auch jetzt, um 19 Uhr auf 2845 m Höhe noch 20 Grad und Sonnenschein. Was soll man sonst noch erzählen von einer Etappe über Norbertshöhe, am Reschensee entlang, rasant den Reschenpass runter? Vielleicht, dass wir genau rechtzeitig Gruppe 1 auffahren, so dass ich es etwas laufen lassen kann, weil Thomas das Feld nach hinten absichert. Schööön!
Thomas wartet in Glurns (ein schönes Dorf!), 7 km vor Prad, so dass wir das üppige Mittagessen noch etwas verdauen können. Harry hat gestern Freiwillige gesucht für den Abstecher nach Sulden, und meine Gruppe hat mir signalisiert, dass sie den Weg ab Gomagoi auch alleine aufs Stilfser Joch finden. "Und wenn ihr einen Platten habt?" frage ich Dirk. "Hast du ein Taschentuch?" fragt er zurück. Nein, aber er durfte sich an meiner Schulter ausweinen. Und dann durfte ich los.
Franz wartet am Abzweig auf uns. Jeder fährt sein Tempo, meine Beine sind schlecht. Ich leide. Der Anstieg nach Sulden ist sportlich interessant, aber touristisch schwierig. Immerhin sitzen wir oben gut auf der Panoramaterrasse mit Blick auf den Ortler. Und zwei Stunden später sind Harry, Franz und ich wieder in Gomagoi. Das alkoholfreie Bier, ein Apfelstrudel und das Salz im Trinkwasser bewirken Wunder, und Richtung Stilfser Joch läuft es deutlich besser.
Es ist viertel vor drei, und nur einmal habe ich die Stilfserjochstraße leerer gesehen:
als ich 2014 vor der Eröffnung hoch gefahren bin. Herrliche Blicke auf die leere Passstraße im im Streiflicht.
Die erste geführte Wanderung in der Geschichte der quäldich-Reisen führte uns dann auf das Rifugio Garibaldi. Was für ein gelungener Abschluss eines gelungenen Tages!
Nach dem etwas desorganisierten Abendessen ein wunderbarer Sonnenuntergang mit dem Ortler im Alpenglühen.
Ursprüngliche Etappenbeschreibung
Stilfser Joch, Königin der Passstraßen. Wer gute Beine hatte, stand vielleicht gestern schon vom Umbrail aus schon kurz oben. Wohl kaum ein Pass ist prestigeträchtiger, und heute machen wir daraus die Bergankunft der Bergankünfte - und übernachten einfach auf dem Pass. Ein bisschen Vorgeplänkel muss natürlich auch sein. So fahren wir das Engadin von Scuol aus weiter bergab und erreichen Nauders über die einsame Norbertshöhe. Dann geht es hinauf zum Reschenpass, wo wir den bekannten vom Stausee fast verschluckten Kirchturm bewundern können. Nach rasanter Abfahrt ins Vinschgau erreichen wir Prad - und dann geht es los. 48 Kehren warten auf uns - die berühmte Ostauffahrt zum Stilfser Joch. Wieder runter fahren wir erst morgen, denn heute übernachten wir auf 2757 m Höhe direkt am Pass.