12.07.2020,
Jan:
Schon gestern Abend, als wir bei mediterranen Temperaturen in der Chiavenneser Altstadt saßen und bei einem letzten Panaché die Erlebnisse der zurückliegenden Etappen besprachen, war klar, dass heute Schluss ist mit dem Wetterglück. Und tatsächlich werden wir von Regen geweckt, die Wolken hängen tief, aber es ist immer noch angenehm warm. Pünktlich zum Start verzieht sich sogar der Regen und wir können auf nassen Straßen, aber trockenem Himmel starten.
Gleich im Ort beginnt der Splügenpass. Ohnehin ist Chiavenna mit den ringsum steil abfallenden Felswänden ein beeindruckender Ort. Kein Wunder, dass Kaiser Barbarossa damals hier Quartier aufgeschlagen hat.
Schweigend fahren wir nach oben. Schon im unteren Bereich wird deutlich, dass die touristische Infrastruktur am Splügenpass in den letzten beiden Jahrzehnten gelitten hat. Das Klosterrestaurant im Santuario Gallivaggio hat geschlossen, und außer in den beiden größeren Orten Dolcecampino und Montespluga sieht man kaum Leben auf und neben der Straße.
Dafür riechen die frischen Brioches in Dolcecampino verlockend. Schade, dass es so frisch ist und so nass, sonst hätte ich der Gruppe einen frühen Caffèstopp verordnet.
Dann beginnen die waghalsig in die Wand geschlagenen Kehren durch mehrere Enge Tunnels. Beeindruckend! Im oberen offeneren Teil sehen wir Weiden, Kühe, verlassene Steinhäuser, aber nicht die beeindruckenden Felsgrate über der Szenerie. Die hängen in den Wolken.
Am Lago di Montespluga pfeift uns der Regen entgegen, für einige Kilometer ist es flach. Hier entscheidet sich das heutige Iserlohner Duell mit einem kleinen Zeitfahren von Dirk und mir.
Am Seeende durchfahren wir den Ort Montespluga. Hier gibt es noch ein Ristorante/Bar, das wir aber rechts liegen lassen müssen. Es ist zu kalt, der Regen hat wieder eingesetzt. Eigentlich bräuchte ich meine Regenjacke, ich will jetzt aber nach oben und alles an Winterkleidung aus dem Koffer holen, was dieser anzubieten hat.
150 Höhenmeter später erreichen wir zeitgleich mit Nadines früher gestarteten entspannten Gruppe die Passhöhe. Die Stimmung ist gedämpft in der höchsten mobilen Umkleide der Alpen, aber alle sind Thomas unsagbar dankbar für seine Anwesenheit hier oben, wo wir ihn so stark brauchen wie vorher nie.
Die Passhöhe sieht schlimm aus. Vor 19 Jahren gab es hier noch einen stolen Grenzposten, heute ist hier alles verrammelt und vernagelt. Immerhin hat man die Tragödie wohl erkannt, Bautätigkeiten sind im Gange. Tauchen die Passhöhe aber in ein umso tristeres Bild. Das aber bei Sonne vermutlich deutlich weniger trist ausgefallen wäre.
Heute geht der Abfahrtszeitpunkt nicht nach Gruppenzugehörigkeit, sondern nach Umzugsgeschwindigkeit. Eine Gruppe nach der anderen fährt ab, wenn genügend Teilnehmer fertig sind, ich bilde mit Uli die Nachhut, Thomas nimmt zwei frierende Teilnehmer im Auto mit.
Durch die akkuraten Kehren der Nordanfahrt geht es hinunter nach Splügen, durch die Viamala-Schlucht hinunter nach Thusis und dann Richtung Chur. Irgendwann kommt noch Nadines Sammelgruppe von hinten, die an der Rofla-Schlucht noch auf eine wärmende Suppe eingekehrt ist. Und dann fahren wir triumphal nach Chur ein. Alle heile hier, das ist heute die Hauptsache!
Und damit ist eine großartige Woche mit vielen beeindruckenden Monumenten der rätischen Alpen zuende gegangen. Wir hatten unglaubliches Wetterglück, darüber kann das bisschen Regen heute nicht hinweg täuschen. Und mit der heutigen Kälte am Splügenpass können wir das Glück der letzten Tage doch erst richtig schätzen!
Ursprüngliche Etappenbeschreibung
Schlussetappe, heute heißt es Abschied nehmen. Doch einen haben wir noch, und es ist nochmal ein Highlight. Die Südrampe zum Splügenpass mag vielleicht neben so klangvollen Namen wie Stilfser Joch und Gavia wie ein Geheimtipp anmuten, aber es ist ein Geheimtipp, der sich lohnt. Und die akkuraten Kehren der Norseite sind ein sehenswertes Kuriosum. So gelangen wir nach Splügen im Hinterrheintal, und bis Chur geht es nur noch bergab. Mit der Viamala-Schlucht wird es jedoch landschaftlich nochmal spektakulär, und wir können entspannt in Chur einrollen.