07.09.2020,
majortom:
Col de Portel statt Risikogebiet. Der ursprünglichen Planung unserer Reise zufolge wäre die zweite Etappe der Pyrenäen-Klassiker auf die katalanische Südseite der Pyrenäen gegangen. Doch Corona zwang uns - wie so oft - zu etwas Kreativität und Improvisationstalent. Aber natürlich wachsen wir mit unseren Aufgaben und haben einfach mal eine Mystery-Etappe über den Col de Portel nach Foix aus dem Hut gezaubert. Inzwischen wissen wir: die Etappe war mindestens ebenbürtig, der Col de Portel ein Wolf im Schafspelz, und ganz oben hat man sensationelle Aussicht auf den Pyrenäen-Hauptkamm (theoretisch, da in den Wolken verborgen), und auf der anderen Seite weit ins Flachland, gewissermaßen bis zum Eiffelturm. Und auch Foix ist ein schöner Ersatz-Etappenort, unglaublicherweise sogar ohne Menu sportif.
Ente auf dem Salat zur Vorspeise.
Eine schwere Entscheidung am Morgen ist die der richtigen Etappenvariante. Variante A hat weniger Höhenmeter, aber ist ein paar Kilometer länger. Die sportiven uns ausdauernden wollen vor uns im Ziel sein und wählen also die kürzere Etappenvariante. Während meine entspannte Gruppe sich auf die A-Variante begibt. Beide Varianten beginnen mit 23 flachen Kilometern das Garonne-Tal hinunter. Schon nach wenigen Kilometern sehen wir Marks ausdauernde Gruppe vor uns, ersparen ihnen jedoch die Höchststrafe, von den entspannten überholt zu werden. "Wir überholen sie dann im Pass, das ist noch demütigender", gebe ich Philipp, der wieder für uns den Wind bricht, als Arbeitsanweisung.
Etwa 300 Höhenmeter hat der Col des Ares, unser erster Passjagd-Claim für heute, mit dem wir Boden auf Jan gutmachen (der in Ligurien ja nichts neues fährt und deswegen in Passjagd-Hinsicht ebenfalls eine Lektion in Demut erhalten wird). Ein eifelesker Pass in der Haute-Garonne; auch dies ein dezenter Hinweis an Jan, der ja oft und gerne in grenzenloser Überheblichkeit Pyrenäen-Pässe als schwarzwaldesk disqualifiziert. Die ausdauernde Gruppe steht kollektiv an der Passhöhe, und Mark bläst sofort zum Aufbruch; vermulich ist er in Sorge, noch häufiger von uns in Grund und Boden gefahren zu werden. Kurze Zeit später sehen wir sie auf einer Bar-Terrasse in Aspet sitzen. Auch Christian ist unterkoffeiniert, und so halten wir auch an, fahren aber sofort weiter, als klar wird, dass die Bar kein Wasser mehr für die Kaffeemaschine hat.
Also auf in den hügeligen Teil, der uns vom Salat-Tal trennt. Es sind vielleicht ein paar Höhenmeter mehr als veranschlagt, aber was solls. Wir fahren es mit Flow. Was auch für die etwa 20 km im Salat-Tal nach Saint-Girons gilt, die wir nach einer Kaffee- und Cola-Pause mit Druck auf dem Pedal in Angriff nehmen. Sylvia erwartet uns auf der Place Guynemer in Saint-Girons, wo wir unter kritischen Augen der renitenten Grundschullehrerin und der saintgironser Dorfjugend erneut herorragend verpflegt werden.
Wir schalten vom Flow- in den Relaxed-Modus, denn wir haben schließlich noch einiges vor uns. Nämlich den Col de Portel, der nicht nur 1000 Höhenmeter hat, sondern auch noch sechs bis acht Vor- und Nachpässe, so dass wir hier in der Passjagd richtig Fahrt aufnehmen könnten. Es geht ganz zahm los, und anfangs setzen sich noch zwei ältere Rennrad-Herren in unsere Gruppe. Doch sobald es steiler wird, haben sie natürlich keine Chance mehr, und wir lassen sie gnadenlos hinter uns. Auf der anderen Seite fährt natülich schon längst jeder sein eigenes Tempo und kümmert sich nicht mehr groß um das Tempo der anderen.
Auf einsamer Straße klettern wir durch den Pyrenäen-Wald, und ich habe wegen des rauen Asphalts den Tour-de-France-Kommentar von Eurosport im Kopf, wo sich Jens Heppner in penetranter Regelmäßigkeit darüber ausließ, dass "der französiche Asphalt ja garnich rollt". Es ist eine traumhafte verkehrsfreie Auffahrt, doch so richtig grandios wird es erst auf den letzten drei bis vier Kilometern, als die Sicht in Richtung Hochpyrenäen im Süden frei wird. Ein Flachstück, eine letzte Kehrenkombination, und wir stehen an der Passhöhe, wo sich dann auch in nördlicher Richtung ein toller Ausblick ins Flachland ergibt. Schöner kann es auch in Katalonien kaum gewesen sein.
Eine lange Abfahrt und etwa sieben Nachpässe trennen uns noch vom Etappenort Foix. Wo leider in den engen Gassen der Altstadt der GPS-Empfang verloren geht, und wir etwas improvisieren müssen, um zum Hotel zu kommen. Aber das quäldich-Kollektiv bevölkert dort schon - hygienegerecht - die Schmutzbier-Terrasse. Eine erneut sensationelle Etappe liegt hinter uns.
Ursprünliche Etappenbeschreibung
Die alternative Etappe zum Risikogebiet Katalonien. Wir bleiben auf der französischen Nordseite der Pyrenäen, und nach etwas mehr als 20 km Einrollen geht es in den ersten kleinen Pass, den Col des Ares. Dann fahren wir durchs hügelige Pyrenäen-Vorland, bis wir bei Kilometer 65 auf das Salat-Tal treffen und diesem bis Saint-Girons folgen. Es beginnt der einsame, schöne Anstieg auf den recht wenig bekannten Col de Portel, von dem aus wir schöne Ausblicke auf den Pyrenäenhauptkamm genießen. Über den Vorpass Col de Marrous fahren wir ab in den hübschen Etappenort Foix. Eine lange, aber nicht allzu schwere Etappe.