Was für ein wunderschöner Auftakt zu den Monumenten der Südalpen. OK, die Maskenpflicht, die kurz vor unserem Eintreffen über ganz Nizza verhängt worden ist, hätte es nicht unbedingt gebraucht, aber was soll's. Wir sind hier und dürfen Rennradfahren. Ab mittags sowieso im Hinterland ganz fernab jeden Touristentrubels.
Schon das Abendessen gestern Abend war ganz unpassend gut für ein Airporthotel, und auch das Frühstücksbuffett (!) ließ keine Wünsche offen.
Pünktlich um neun geht es los, die Promenade des Anglais am Stadtstrand von Nizza entlang und dann hoch Richtung Corniche und Col de Quatre Chemins. Aber nicht, ohne von der Nachhut Freiburg-Nizzas noch vor dem Le Royal gebührend empfangen und bejubelt zu werden. Danke! Und von dieser Reise habe ich nun also den Staffelstab des Berichtschreibens übernommen und setzen den Bericht fort.
Freiburg-Nizza-Monumente-der-Südalpen also
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Denn die wunderschöne Fahrt auf der Corniche und weiter zum Col d'Èze ist den Freiburg-Nizza-Schildmaiden und -Recken entgangen. Wir genießen einfach für sie mit, mit tollen Blicken hinunter zum Meer, auf die Halbinsel, den Leuchtturm, die Bucht und den Hafen von Saint-Jean-Cap-Ferrat. Azurblaues Meer unter azurblauem Himmel. Das muss die Côte d'Azur sein!
Hier verlassen wir die aufgeführte Strecke der Etappenplanung, denn statt dem Col de Castillon wollen wir dem Col de Pancras und dem Col de Braus einen Besuch abstatten. Dabei ist der Castillon auch sehr nett mit den Blicken auf das glitzernde Meer.
Die Auffahrt auf den Col de St Pancras ist unspektakulär, aber von oben kann man sowohl die charakteristische Doppelkehre vom Col St. Roch sehen, als auch das Kehrennirvana zum Col de Braus. Dann eine rasante Abfahrt hinunter über Peille nach La Grave, wo mit der Durchfahrung der kurzen Peillon-Schlucht eine nette Überraschung wartet.
In L'Escarène beginnt dann die Auffahrt auf den Col de Braus. Ein toller Pass! Unten über einer tiefen Schlucht, oben mit einem Kehrennirvana, und das alles in dem für die Seeaplen so typischen Gemisch aus weißem Fels und grünem Krüppelbewuchs.
Am Col de Braus entscheiden wir uns gegen die Einkehr in die Gipfelgastronomie und für die 7 km Verlängerung, die die fast flache Traverse vom Col St. Jean auf den Col de Castillon mit sich bringt, die es uns erlaubt, Silles Mittagsbuffet mitzunehmen.
Uwe und ich sehnen uns nach etwas Herzenswärme, und die kann Sille bestimmt spenden! Auch alle anderen sind langsam pausenreif. Es ist wahnsinnig warm, wir schwitzen wie in der Sauna, obwohl die Sonne dank einiger Wolken gar nicht so brennt. Aber die Flaschen leeren sich eine nach der anderen. Glücklicherweise gab's in L'Escarène einen Brunnen!
Glücklicherweise sind die Tracks präziser als Silles Beschreibung ihres Pausenpunktes, den sie nur nach einigem Suchen erobern konnte, an der alten Kirche über dem Col de Castillon-Tunnel. Wir finden ohne Verzögerung zu ihr und ihrem fantastischen Bergbuffet. Absolutes Highlight heute: die Pfirsiche!
Bam! Runter nach Sospel und rein in die 1200 Hm zum Endgegner des Tages, den Col de Turini, von der Rallye Monte Carlo auch Nicht-Radfahrern bekannt. Wir rufen eine Dolce-Vita-Einlage aus und entscheiden, in Moulinet einen Café zu trinken. Denn dort kommt die Moulinette her, und da muss der Kaffee schließlich gut sein. Und so können wir den Turini in zwei Scheiben zerteilen, einen Dolce-Vita-Happen von 400 Hm und einen monumentalen Endgegner von 800 Hm. Wenn nicht noch jemand die L'Authion-Gipfelschleife mitnehmen will! Ich will eigentlich.
Im Dolce-Vita-Abschnitt (den meine Gruppe wie alle anderen Anstiege des Tages viel zu schnell im sportiven Gruppe-1-Tempo angeht, obwohl wir doch die ausdauernde Gruppe 2 sind), durchfahren wir den schönsten Teil des Turini, der hier in einer tief eingeschnittene Schlucht verläuft. Den Ortseingang markiert ein markantes Viadukt zu einer Kirche, die auf einem vorgelagerten Fels thront. Der Café ist tatsächlich trinkbar in den Gassen Moulinets, und Martin droht hier anzuwachsen, denn es gefällt ihm hier im Schatten des Hinterhofs. Also weiter! Übrigens haben wir zwei Martins in der Gruppe, so dass sich niemand angesprochen fühlen muss. Wir haben auch drei Thomasse, aber die meiden meine Gruppe. Ein Thomas ist aber übermotiviert an der Mittagsverpflegung vorbei geschossen, der scheint sich für meine Gruppe nun qualifiziert zu haben.
Zurück zum Turini: die zweiten 800 Hm verlaufen überwiegend durch Wald. Die Gespräche verstummen, jeder fährt sein Tempo. Wir wollen jetzt vor allem ankommen! Die Turini-Passhöhe hat schon bessere Zeiten gesehen. Aber es gibt zwei Hotels hier oben, auf die wir uns aufteilen. Einige Missverständnisse die Unterbringung der Fahrräder betreffend rauben mir die Lust auf den l'Authion. Glücklicherweise ist es eh ziemlich zugezogen, und ohne Ausblicke hätte die Schleife rein sportlichen Wert. So ein Glück. Bei den Beinen, die noch von meiner Schneekoppen-Tour zerstört sind.
Letztlich findet aber jeder seine Garage und sein Zimmer, so dass nun das lange Warten auf das Abendessen beginnt. Beginnen würde, wenn wir nicht vorblidlich schon vor dem Abendessen kräftig zugelangt und Silles Reste verschlungen hätten.
Ich freue mich auf morgen, auf den Col du Tende und, weil der Hunger wieder wächst, auch schon auf das Abendessen in Cuneo.
Ursprüngliche Etappenbeschreibung
„Bienvenue aux Alpes Maritimes!“ Die Seealpen heißen Seealpen, weil hier die Alpen auf die See treffen. Und weil das Meer so schön azurblau in der Sommersonne glitzert, nennt man das ganze auch Côte d'Azur. Hier hat man jetzt sofort das Bild vor Augen, wie sich schmerbäuchige Touristen in knappen Badehosen an überfüllten Sandstränden ihren Sonnenbrand holen. Nun ja, aber die Côte d'Azur ist mehr als das, bräunen lassen kann man sich auch auf dem Rad, wenn man in die Hügelwelt der Seealpen eintaucht. Unsere Tour beginnt entlang der bekannten Promenade des Anglais durch Nizza, doch dann geht es sogleich auf eine wunderschöne Küstenstraße nach Osten bis Menton. Richtig, das Menton, wo die Route des Grandes Alpes endet, wir zäumen das Pferd sozusagen beim Schwanz auf. Rückwärts gesehen sind die ersten beiden Pässe dieser Alpentraverse der Col de Castillon und der Col de Turini, Perle der Seealpen, wo wir heute auf dem Pass Quartier beziehen werden. Bergankunft am ersten Tag, was will man mehr...