24.08.2020,
Jan:
Die zweite Etappe der Monumente der Südalpen startet mit einer fulminanten Abfahrt vom Turini runter nach Sospel, also den gleichen Weg runter, den wir gestern hoch gefahren sind. Wunderbares Erlebnis in der Morgensonne. Groteskerweise im Regen, von dem man gar nicht sieht, wo er her kommt. Aber egal, in Moulinet sind wir schon wieder trocken, und die Gorges du Piaon liegt wunderbar im morgentlichen Streiflicht.
In Sospel sammeln wir uns, und dann löst sich auch die schnelle Gruppe von uns, denn sogleich geht es in die Auffahrt zum sanften Col de Brouis. Wunderbar einsam ist es hier, kaum ein Motorrad, kaum ein Auto. Herrlich! Und im offenen oberen Bereich windet sich die Straße schön in einigen Kehren zur Passhöhe, wo die sportive Gruppe schon bei der Gipfelcola in der sehr empfehlenswerten Passgastronomie sitzt.
Vorbildlich! Da können wir natürlich nicht hintenan stehen und fallen über die restlichen Liegen und Stühle her. Der Besitzer ist Engländer, aus Suffolk, und leider muss er das Anwesen aufgeben, weil seine Frau nach Dänemark zurück will. Der Arme ist so glücklich dort! Aber nur 1,3 Mio soll es kosten, und dafür bekämen wir die Getränke gratis! Ein Schnäppchen.
Aber schön ist es wirklich hier!
Dann geht es rasant hinunter ins Tal der Roya. Tolle Abfahrt! Unten ist deutlich weniger Verkehr als befürchtet. Durch eine spektakuläre Schlucht windet sich die Straße hinauf nach Tende.
Die Zeit vergeht wie im Flug, und das pittoresk am Fels klebende Städtchen ist einen weiteren Fotostopp wert. Sille steht am Bahnhof an einer fast genau so pittoresken Stelle (Ähem), und Paul hätte lieber oben an der Schwebebrücke die Verpflegung gehabt. Die wackelt hoch über uns bedenklich zwischen zwei Felsnasen.
Das Timing ist gut, es ist 12.30 Uhr, und jetzt haben wir alle Zeit der Welt für den Colle di Tenda oder den Col du Tende, der von hier aus gute 1150 m über uns liegt. 8 km später verstehen wir plötzlich, warum hier so wenig Verkehr ist, denn auf einmal stürzt eine gewaltige Blechlawine von oben herab: Blockabfertigung am Tende-Tunnel. Wir schieben uns an der fast kilometerlangen Schlange vorbei und erreichen die Ampel als die gerade auf grün springt. Einspurig geht es zunächst durch eine Baustelle, und nach drei Kehren dann geradeaus auf die alte Straße.
Die ist hier aufgrund der baustelle grob aufgeschottert, wodurch einige nichtgenannte Heißsporne auch erst im Tunnel bemerken, dass sie falsch sind.
Der Schotter ist hier gottseidank nur von kurzer Dauer, und macht bald für einen brüchigen, dann besser werdenden Asphaltbelag Platz. Herrlich einsam ist es hier schlagartig, und in vielen, vielen Kehren geht es auf sanfter Steigung nach oben. Tief unter uns sehen wir die Sille an Platz zwei hinter der nun wieder roten Ampel stehen. Nach dem ersten Serpentinenstück passiert man eine Ruine, und erreicht damit ein grotesk steiles Stück. Danach werden wir Richtung Süden geführt, und wir sehen erstmals das Gipfelfort.
Kurz darauf beginnt der 4 km lange Schotterteil. Der Schotter ist ganz passabel fahrbar, nur manchmal ist das Schotterbett so tief, dass die Kontrolle schwierig wird. Das ist aber alles sehr relativ und individuell, manch einer soll auch geflucht haben. Ich finde es auf jeden Fall toll und ganz speziell. Gibt es halt kaum noch, und ich hoffe, dass diese Passage noch lange so erhalten bleibt. Dazu rollt in nicht allzuweiter Ferne der Donner. Eine tolle Kulisse!
High Ellbows und super Stimmung am Pass. Runter nach Cuneo, Kette Rechts! Schmutzbier auf der Piazza. Jetzt aber schnell, es wartet das Abendessen! Italien! Mega.
Ursprüngliche Etappenbeschreibung
Eine Legende. Ein Mythos. Viele haben schon vom Col de Tende (oder Colle di Tenda) gehört, dem Grenzpass zwischen Frankreich und Italien mit dem sagenhaften Serpentinenhang. Ein Wermutstropfen: Die Südseite ist nicht asphaltiert, sondern Naturstraße. Aber Naturstraße liegt ja im Trend, und was die Hipster vom Café du Cycliste in Nizza können, können wir doch schon lange. Es wird spektakulär. Auf die Schulter klopfen können wir uns dann im hübschen Städtchen Cuneo, wo wir heute die Nacht verbringen.