28.08.2020,
Jan:
Die Franzosen sind ja so selbstbewusst, deswegen bezeichnen sie die Cime de la Bonette als
la plus haute en europe, was natürlich stimmt, wenn man "la" als Gipfelschleife interpretiert, aber auf Asphalt geht's sowohl
in den Alpen als auch natürlcih am
Pico del Veleta höher. Egal, wir wollen trotzdem hoch und pedalieren die 10 km nach Jausiers flüssig weg, wo die 1589 Hm zur Cime de la Bonette beginnen.
Meine Beine sind gestern nicht recht in den Tritt gekommen, und daher gebe ich einfach mal Druck aufs Pedal. Bis Km 15 vor dem Col de la Bonette möchte ich schnell fahren, dann zwei Kilometer locker, dann auf meine Gruppe warten. Aber schnell kommt schon Ruperts Gruppe 1 vor mir ins Blickfeld, und so fahre ich erst mit Rupert, dann später mit Paul etwas, was mich natürlich besonders freut, denn Paul ist schließlich mein Lebens- Technik- und Farb&Stil-Attaché.
Christof will auch in den quäldich-Kalender und schließt von hinten auf zum Shooting.
Doch rigendwann muss ich dann doch auf meine Gruppe 2 warten - überhalb des Pause 2000, also schon auf über 2000 m Höhe. Der Bonette ist viel schöner, als ich ihn von 2011 in Erinnerung habe. Unten schön, in der Mitte schön, wo ich jetzt an der Doppelkehre warte, und oben schön, wo die zerklüftete Hochgebirgslandschaft beginnt.
Nur ganz oben, auf der Gipfelschleife, wird es arg mondlandschaftlich. Dafür 360-Grad-Rundumsicht auf der Cime, zu der wir noch die 60 Hm nach oben laufen. Barfuß in meinem Fall, worüber sich die Franzosen arg amüsieren.
Schon 7 km vor der Passhöhe hatte Lena auf die schnell aufziehenden Wolken hin gewiesen, oben ist es mittlerweile bedeckt, und es weht ein scharfer Wind, so dass wir möglichst schnell gen Tal schießen. Sille steht zum Glück nach 25 km in St-Etienne-sur-Tinée bereit, Lichtjahre weiter unten am Pass, die einfach nicht verstreichen wollen.
Dann aber doch verstreichen, und endlich kriegen wir essen! Und werden wieder warm! Und freuen uns, dass es oben trocken geblieben ist. Das sah teils anders aus in der Vorhersage. Schnell Sille Tschüs gesagt und schon geht's das Tinée-Tal runter. Café gibts heute nicht, alle wollen vor dem Regen im Ziel sein. Der Col de la Sinne hat 1000 Hm und ist sinnfrei, wir könnten auch im Tal fahren, was nur 3 km länger wäre. Aber wir wollen die
Passjagd der Seealpen gewinnen (wir=ich), und also muss die ganze Truppe drüber. Was nett ist, mit schönen Blicken rüber ins Tinéetal, und einem gar nicht so kleinen Dorf nach drei Vierteln der Höhenmeter.
Wir fragen uns, wer um alles in der Welt dieses Dorf gegründet hat. Und warum? Wer machen die hier? In Ilonse, oder Ilonso im Okzitanischen. Am Dorfbrunnen stehen die Dorfältestenden, die fragen sich sicher das gleiche. Viele Radfahrer haben sie sicherlich noch nicht gesehen, denn eigentlich alle donnern das Tinée-Tal runter, so auch wir schon häufig. Mark steht oben sinnlich am Passschild und lässt sich für den Men's-Health-Kalender ablichten (ab 2021 im quäldich-Verlag).
Heiko hat leider verstanden, warum wir hier hoch sind. Wegen meiner Seealpen-Passjagd. Das relativiert sich hinter Pierlas, dem ebenso schwer erreichbaren Ort auf der anderen Seite, zu dem eine waghalsig in die Felsen gehauene Straße führt. Hammer-Abfahrt, aber sehr technisch! Dafür kann man hier mindestens rüber fahren. Unten am Abzweig zur Cians-Straße frohlocken wir, denn wir scheinen vom Regen heute verschont zu werden.
In der unteren Cians-Schlucht ist es unerwartet ziemlich steil, eine richtige Abfahrt. Da haben uns gestern die Blicke von der Steigung abgelenkt. Und im Vartal peitscht und auf den letzten sechs Kilometern der Wind, Regen und Hagel entgegen. Völlig durchnässt erreichen wir unseren Zielort. Jubelnd!
Ursprüngliche Etappenbeschreibung
Wir sind schon wieder zurück auf dem Weg nach Nizza. Die Verkehrsschilder weisen darauf hin: eigentlich müssten wir nur noch über den Col de la Bonette und dann das Var-Tal hinab, um zu unserem Ausgangspunkt an der Côte d'Azur zurückzukommen. Nur noch der Col de la Bonette? Das ist natürlich untertrieben, denn der Pass – von dem man noch die auf über 2000 m Höhe hinauf führende Zusatzschleife Cime de la Bonette fahren sollte – ist allein schon aufgrund seiner Länge ein harter Brocken. Oben dann wieder: Ausschilderung nach Nizza. Doch wir sind noch nicht fertig, und es wäre viel zu schade, die Schönheiten links und rechts des Var-Tals auszulassen. Wie beispielsweise den einsamen Col de la Sinne auf dem Weg in den Etappenort Puget-Théniers.