02.07.2020,
Pocatky:
Wir haben auf dieser Reise bereits viel über die Guide-Lügen diskutiert, wir hängen im Berg, haben als Gruppe 3 laut dem Reiseleiter ,,entspannten Druck auf der Kette" und somit viel Zeit, nachhaltig Themen auszudiskutieren. Dass sich die Aussagen wie: ,,heute wird es eine entspannte Etappe", oder ,,hinten wird es flacher", ,,wir fahren heute nicht so schnell" nie bewahrheiten, wissen alle. Aber nach drei Tagen ohne Kaffee-Pause musste heute eine weitere Guide-Aussage ,,heute machen wir mal eine Kaffee-Pause" revidiert werden. Und es hat geklappt, in einer wunderbaren Bar in mitten im Anstieg zum Col du Petit St. Bernard, 13 km vorm Gipfel, in La Thuile gab es in Angela's Bar italienisches Eis, Cappuccino, einfach la dolce vita - auch für die Gruppen 1 und 2.
Aber fangen wir heute morgen an. Nach dem systemrelevanten und sehr leckerem Frühstück machten sich 19 Rennradfahrer und ein Eskimo Richtung Tal auf, 25 km wunderschöne Abfahrt vom Col du Grand Saint Bernard. Nach einer kurzen Pause im Tal, bei der einige Schichten Kleidung abgelegt wurden, mal mehr (beim Eskimo), mal weniger (beim Rest) und die Lebenskräfte einiger Teilnehmender aufgefrischt wurden, ging es in die Route des Salasses, eine schöne kleine Straße, zu Beginn sehr steil, aber dann sanft bis auf 1.582 m ansteigend. Die lang ersehnte Abfahrt wurde durch einen steilen Gegenanstieg unterbrochen, war nicht schön. Für Thomas wirklich nicht schön, er fuhr einfach ganz runter und musste dann wieder komplett hoch - so macht man fast 1.100 Höhenmeter mehr. Wir fuhren dann noch ein Stück im Hang weiter und dann auch ins Aostatal bis zu Mittagsverpflegung in Morgex, immer den Montblanc fest im Blick.
Und hier fing es dann an. Wir haben uns als Gruppe 3 für heute vorgenommen, ganz fest, vor 18 Uhr im Hotel zu sein, es war ja eine ,,entspannte Etappe", siehe oben. Wir wollten schön (alle), frisch und gewaschen (alle), aufgeräumt und sortiert (Jörg) zum Abendessen erscheinen, nach dem die Gruppen 1 und 2 bereits seit zwei, drei Stunden im Hotel sind, alle Ketten geölt, sich und die Räder gepflegt, Wäsche gewaschen und augehägt haben und inzwischen Vermissten-Anzeigen nach uns aufgeben. Und deswegen haben wir schnell gegessen, Markus im Track Angela's Bar als Ziel einprogrammiert und haben den Druck auf der Kette von entspannt auf angespannt geändert. Und dann fahren wir los und Bernd hat einen Platten, hinten natürlich. Und es wird gewechselt und das kostet Zeit. Und dann waren wir bei Angela's und das kostet Zeit. Und dann fahren wir zum Col du Petit St. Bernard hoch. Und das kostet Zeit. Und dann machen wir Fotos auf dem Pass. Mit Murmeltieren, mit Bernhardinern mit Fässchen und ohne, mit Passschild. Mit Mindestabstand. Und das kostet Zeit. Und dann fahren wir runter, 25 km. Und das kostet Zeit. Also waren wir um 18.05 Uhr im Hotel... Aber morgen, ganz bestimmt, sind wir schön, frisch und sortiert beim Abendessen.
Es war ein traumhafter Tag, wunderschönes Wetter, wunderschöne Landschaft, eine tolle Strecke, ein Tag, den man hätte nicht besser planen können. Man muss ihn erleben, man muss dabei sein. Und so standen alle noch lange nach dem Abendessen auf der Hotel-Terrasse, schauten auf die Lichter von Seez, tauschten die Fotos aus, um ihn zu speichern, diesen tollen Tag - wenn es nur so einfach wäre!
Ursprünglicher Etappenbericht:
Nach der schweren Bergankunft gestern ist die heutige Etappe deutlich leichter. Sie ist zwar lang, aber die ersten etwa 25 km sind rauschende Abfahrt - am frühen Morgen natürlich entsprechend warm angezogen. Allzu unaufmerksam sollte man allerdings nicht ins Tal jagen, denn sonst verpasst man den Abzweig auf die Route des Salasses, die oberhalb des Aostatals am Hang entlang führt und uns einige Kilometer auf der viel befahrenen Hauptstraße erspart. Und zudem noch hübsche Ausblicke auf die umliegende Bergwelt serviert. Ein Stück Hauptstraße bis Pré-Saint-Didier bleibt uns dann jedoch nicht erspart. Ab hier allerdings geht es wieder in die Berge, der kleine Bruder des Grand Saint Bernard steht auf dem Programm. Auch der Col du Petit Saint Bernard ist lang, und man muss sich die Kräfte gut einteilen, dafür hat man von oben einen der schönsten Blicke auf den Montblanc. Die Abfahrt vom Pass führt uns bis ins savoyardische Seez, oberhalb von Bourg-Saint-Maurice gelegen, wo wir die Nacht verbringen.