06.08.2019,
majortom:
Es wird langsam Abend auf 1860 m Höhe, und die Vorfreude auf die
Tartiflette, die wir gleich genießen dürfen, steigt. Und schon wieder liegt eine sensationelle Etappe hinter uns. Eine monumentale Etappe, denn sie hat uns heute zu den weltberühmten Tour-Monumenten Col du Galibier und Alpe d'Huez geführt.
Der Tag beginnt jedoch ernüchternd. Strömender Regen beim Aufstehen, die Wolken hängen tief am Galibier, so dass der Blick aus dem Fenster eine kalte und nasse Passauffahrt erwarten lässt. Die üblichen Wetter-Apps geben jedoch zumindest teilweise Entwarnung. Pünktlich zum Start um 9 Uhr soll Wetterbesserung eintreten, und so verfügen wir, dass alle um 9 Uhr auch am Start stehen sollen – mit der Option, den Start gegebenenfalls noch herauszuzögern. Tatsächlich geht nochmals ein Schauer nieder, als Peter gerade die sportive Gruppe zum Aufbruch sammeln will, aber dieser ist nach wenigen Minuten vorüber, und Fetzen von blauem Himmel werden in der Richtung des Galibier sichtbar. Also los. Und auch Wetterguru Sammy* prophezeit mit unserschütterlichem Optimismus: "Es reißt auf!"
Tatsächlich legen wir die ersten, flacheren Kilometer zum Galibier trocken zurück und können die herrliche Gebirgskulisse genießen. "Es reißt auf!" bekräftigt Sammy* noch einmal, und kurz darauf folgt ein erneuter Regenguss. Der ist jedoch auch vorüber, kaum dass wir Regenjacken herausgekramt haben, und nach den diversen Hitzeschlachten der vergangenen Tage sind die Temperaturen heute mal richtig angenehm. Die Kilometer zum Galibier vergehen so wie im Flug, und schon bald stehen wir in der Sonne an der Passhöhe, wo wir uns für Fotos vom Passschild in die Schlange stellen.
Trotz der kühlen Temperaturen auf dem Col du Lautaret acht Kilometer später wird Louis' Mittagsverpflegung herbei gesehnt, wir halten uns jedoch heute kürzer als sonst beim Europcar-Panzer auf, da im Schatten auf über 2000 Meter Höhe die Zähne schon bald zu klappern beginnen. Also nichts wie in die Fortsetzung der Abfahrt Richtung Bourg d'Oisans, wo wir tatsächlich noch vor dem neuen Chambon-Tunnel alle Regenjacken, Armlinge und Artverwandtes wieder ablegen können. Aufgrund eines Gruppenkonsens wählen wir heute nicht die Standardvariante hinab ins Tal nach Bourg d'Oisans, sondern die Höhenstraße über die Balcons d'Auris.
Es reißt auf und wird sommerlich heiß, als wir uns diese Panorama-Variante mit 3 Kilometern Anstieg mit 300 Höhenmetern erkaufen. Waren wir nicht gerade noch zähneklappernd auf dem Lautaret? Der Schweiß fließt, doch es lohnt sich. Die Höhenstraße über die Balcons d'Auris ist absolut atemberaubend, eine tollkühn an den Fels geklatschte schmale Straße, die auf der linken Seite senkrecht ins Oisans abfällt. Alles richtig gemacht, auch wenn wir so gegenüber der Standardvariante noch ein paar Höhenmeter drauf packen müssen.
Bei "Virage 16" münden wir dann in La Garde auf die Alpe-Auffahrt, haben also die untersten 5 Kehren umfahren. Schlecht für unsere Strava-Kudos, aber dafür will niemand mehr die fünf Kehren runter und wieder rauf fahren, um die komplette Auffahrt am Stück gefahren zu sein. Stattdessen gibt es eine Kaffee- und Kaltgetränke-Pause direkt an der Virage 16.
Noch bevor wir dann in den finalen Aufstieg starten (Bergankunft!), wird klar, dass wir wieder eine Hitzeschlacht vor uns haben. Die Nachmittagssonne brennt, der Kehrenhang ist komplett der Sonne ausgesetzt. Trotzdem kurbeln unsere Helden (mit Ausnahme des Berichterstatters!) stoisch und souverän nach oben. Kehre um Kehre lassen wir hinter uns, trotzen der Hitze und der bis hierhin schon äußerst harten Etappe. So dass schließlich auch alle glücklich im Hotel am oberen Ende von Alpe d'Huez einlaufen. Und feststellen, dass der Ort gar nicht so hässlich ist, wie er immer gemacht wird. Auf dem Balkon mit Blick nach Süden, auf den inzwischen nicht mehr in den Wolken verborgenen Meije-Gletscher, können wir ganz deutlich das Flair dieser Bergankunft spüren. Schnöder Rennrad-Mainstream? Ja, aber geiler Mainstream...
*Name von der Redaktion geändert.
Bei der Gelegenheit grüßen wir auch ganz herzlich die Teilnehmer der "Französischen Alpen relaxed", die sich gar nicht so weit weg von uns aufhalten. Morgen werden wir uns knapp verpassen. Und außerdem grüßen wir auch alle Teilnehmer des Transcontinental Race, deren Wege sich in den vergangenen Tagen mit unseren gekreuzt haben. Ihr seid alle Helden (genauso wie wir), sowohl die Transkontinentalen als auch die Relaxer!
Ursprüngliche Etappenbeschreibung
Heute ist der Tag der Monumente. Der 2645 m hohe Col du Galibier, den wir zunächst befahren, ist häufig der höchste Punkt der Tour de France, mit seiner kargen Hochgebirgskulisse aber auch ein landschaftlicher Leckerbessen. Im Startort Valloire wird es auf 1400 m Höhe morgens wohl ganz schön frisch sein. Dafür, dass uns schnell wieder warm wird, sollte jedoch der Col du Galibier sorgen, der uns noch etwa 1200 m höher hinaus führen wird. Die verwitterte Felswüste an der Passhöhe macht den Galibier zu einem ganz besonderen Ort, und die Ausblicke reichen hier weit nach Süden in den Ecrins-Nationalpark hinein. Doch wir sind bald schon am Wendepunkt unserer Tour angekommen. Die mythische Etappe komplett macht dann die wohl bekannteste Tour-Bergankunft nach Alpe d'Huez. Ein beträchtlicher Teil der Hobbyrennradler wird wohl schonmal am Fernsehbildschirm mitgefiebert haben, wenn sich in den 21 Kehren der Kampf ums Gelbe Trikot entschieden hat. Heute sind es wir selbst, die einen Kampf austragen, allerdings nicht miteinander, sondern jeder gegen sich selbst und gegen die Steigung. Im Ziel in Alpe d'Huez kann man dann den Triumph auskosten, heute zwei Monumente bezwungen zu haben.
Option: Wer im Ziel noch Körner übrig hat, kann sich dann noch davon überzeugen, dass die Alpen vielelicht dort am schönsten sind, wo die Tour de France nie hinkommt. Lac Besson und Col de Sarenne sind zwei schöne kurze Abstecher.