Der Titel unserer Tour vom Dienstag lautet einfach nur „Passo di Teglia!“. Mit Ausrufezeichen. Ganz wichtig, denn der Passo di Teglia ist eine Marke für sich und braucht keine weitere Erläuterung. Laut unserem local hero
Henner zaubert der Klang dieses Passnamens dem kundigen Ligurer sofort ein stolzes Lächeln aufs Gesicht. Rückblickend können wir sagen: Er hatte recht! Ein Hochgenuss von Landschaft, so dass die miserable Straße kaum ins Gewicht fällt. Da wir mit dem Bericht nun schon einen Tag zu spät dran sind, kopieren wir dreisterweise (aber mit Erlaubnis!) einfach den Blog von unserem Mitfahrer Wolfi und bedanken uns sehr für diesen schönen Bericht!
„Auch heuer führt uns die Tour weit ins Landesinnere zum Fuße der Alpen. Zwei Pässe stehen am Plan, von denen jeder einzelne einer eigenen Etappe würdig wäre.
Los gehts mit der vollen Besetzung bei herrlichem Wetter. Nur kurz führt uns der Weg entlang der Küste, dann gehts gleich ins Landesinnere, rauf auf den Passo die Teglia. Sobald die Guides freigegeben haben, kann jeder sein Tempo fahren.
35 Kilometer lang ist der Anstieg auf den knapp 1400 Meter hohen Passo die Teglia und sofort nimmt mich die Faszination langer gleichmäßiger Anstiege in Besitz. Die Stimmen der Gruppe verstummen und machen meinem Atem, den Wind und den feinen Geräuschen der Natur Platz. Manchmal ertönt von der Ferne eine Kirchenglocke von einem der kleinen Dörfer, an denen ich vorbei fahre. Ich lasse meine Gedanken gleiten und bin in völliger Harmonie mit mir und meinem Rennrad. Ich fühle mich als Teil dieser wunderschönen Landschaft.
Manchmal bleibe ich stehen, zücke meine Kamera und fange dieses wunderschöne Panorama ein. Manchmal höre ich am Wegesrand ein leises Rascheln, es sind Eidechsen, die die Sonnenwärme suchen.
Immer höher führt die kaum befahrene Straße, durch Wälder von Edelkastanien (Maroni). Doch plötzlich - ein Absperrband und Menschen ... was ist los?
Eine Rallye - mit ohrenbetäubendem Lärm donnern die Boliden über die Straße, malträtieren das Asphaltband, was sonst fast nur von den zarten Rennrad Reifen gestreichelt wird. Eine Zwangspause - etwa eine halbe Stunde, dann dürfen wir weiter. Die Straße gehört wieder uns. Bald haben wir es geschafft, wir haben den Passo di Teglia erreicht und werden mit einem sagenhaften Blick in die Alpen belohnt.
Nun folgt naturgemäß die Abfahrt, die Ausblicke sind herrlich, die Straße ist es nicht. Henner, einer unserer wirklich hervorragenden Guides, meint trocknen: "das ist keine Hochgeschwindigkeitsabfahrt" - Wie recht er hat. Aber dafür sind die Ausblicke in die Alpen und auf die kleinen verträumten Bergdörfer zu schön, immer wieder hebt sich mein Blick und diese Stimmung in mich aufzusaugen.
Eine Pause steht an und auch eine Entscheidung, denn das Wetter fängt an, umzuschlagen, die meisten entscheiden sich für den direkten Weg zum Meer, doch die Alternative lockt - ein weiterer Pass, verbunden mit einem Anstieg von etwa 1000 Höhenmeter...
Oh, bittersüße Qual. Ich lasse die wirklich top durchtrainierten Leute ziehen, denn der größte Fehler in den Bergen ist, über seine Verhältnisse zu fahren. Ich fahre meine Geschwindigkeit und komme schnell wieder in meinen Rhythmus. Immer höher schraube ich mich und die Luft wird spürbar kühler. Werde ich empfindlicher, liegt es an den 90km, die ich schon hinter mir habe.
Als ich den Pass erreicht habe, weiß ich warum, eine dunkle Wolke hängt am Berg und die Luft ist eiskalt. Henner hat geduldig auf mich gewartet und baut mich mit ermunternden Worten auf - ein echter Pfundskerl...
Nur kurz alles angezogen, was ich mithabe und dann los. Erste Regentropfen kommen runter und dann ... ein Regenguss bei 2° und das bei einer langen Abfahrt.
Von der süßen Qual ist nur die Qual geblieben. Die Straßen sind nass und von oben kommt Starkregen. Stehenbleiben ist keine Option, denn das wäre lebensgefährlich bei diesen Temperaturen. Henners Kommentar: "so ein Mist" - wirklich treffend.
Mich packt ein Schüttelfrost. Mein Gesicht verzerrt sich zu einer Grimasse. Will denn diese Abfahrt nie enden? Mir wird immer kälter und alles ist nass. In meinem Kopf hat nur mehr ein Gedanke Platz ... pass auf, Du bist müde, Schlaglöcher siehst du nicht, weil sie voll Wasser sind, wenn Du nun hinfällst ...
Ein Bild für Götter, die Wolke hat ein Ende und die Sonne kommt hervor . Schlagartig steigt die Temperatur an und der kurze Gegenanstieg von 200 Höhenmeter tut gut. Selten habe ich mich über einen Anstieg so gefreut. Schnell erwärmt sich mein Körper und das unkontrollierte Zittern findet ein Ende.
Eine Passstraße mit schönen Ausblicken auf das Meer leutet das Ende dieser Tour ein. Selten waren Genuss und Qual so nah zusammen. Gemeinsam werden diese Gefühle dafür sorgen, daß ich diese epische Runde so schnell nicht vergessen werde.“
Ursprüngliche Etappenbeschreibung:
Wer sich im Ponente auskennt, wird leuchtende Augen bekommen, wenn er das Wort Teglia hört. Kaum eine Strecke wie diese bietet den typischen Flair Liguriens. Von Albenga aus erreicht man zunächst Pieve di Teco, dann geht es durch sonnige Olivenhaine durch Rezzo hindurch bergauf-hier lässt man die Zivilisation (und leider auch die glattgebügelten Strassen) hinter sich und fährt durch einsame Buchenwälder zum Passo di Teglia hinauf. Auch hier gibt es eine Fluchtmöglichkeit durch die Querverbindung nach San Bernardo di Corio nach Imperia. Die Passhöhe wartet mit einem atemberaubenden Blick auf das Meer und das vom Monte Ceppo dominierte Hinterland auf. Die eigentliche Strecke führt aber von der Passhöhe durch eine steilen und für Ligurien sehr seltenen vegetationslosen Hang hinunter la Molini di Triora. Von oben gesehen erscheint die Abfahrt angesichts der Neigung des Hanges fast unmöglich, löst sich aber dann erstaunlich gut auf. Die Strasse ist sehr schmal und kurvig und erfordert die ganze Konzentration. Die Kapelle San Bernardo lädt zur Fotografierpause ein, danach geht es schnell hinunter nach Molini di Triora.
Der Küstenradweg, auf italienisch ,,Pista ciclabile del Parco Costiero Riviera dei Fiori" und auf englisch "The Cycling Riviera" nutzt die 2001 aufgegebene alte Trasse der Küsteneisenbahn. Die 2014 endlich eingeweihte Strecke (von einem kurzen Stück in Arma di Taggia abgesehen) zwischen San Lorenzo und San Remo ist 24km lang und breit sowohl für Fußgänger als auch Radfahrer zweispurig ausgebaut. Wegen der gemischten Nutzung und vor allem der Geschwindigkeitsunterschiede der Nutzer, unter denen es auch viele Kinder gibt, ist höchste Aufmerksamkeit angesagt. Die ganze Angelegenheit ist aber auch für den ambitionierten Radrennfahrer sehr spaßig und extrem abwechslungsreich. In vielen Abschnitten führt die Strecke direkt am Meer entlang und man kann das türkisfarbene Meer direkt aus dem Sattel von oben genießen. Bei Starkwind und Brandung riskiert man gelegentlich auch nass zu werden. Durch die unmittelbare Nähe zur See und das immer wehende Lüftchen sind die Temperaturen im Winter mild und im Sommer gemäßigt. Die Tunnels sind beleuchtet und zahlreiche Bars entlang der Strecke lassen keinen Hunger oder Durst aufkommen. 2015 fand hier die erste Etappe des Giro d'Italia in Form eines Mannschaftzeitfahren auf einem Radweg statt. Fast unvorstellbar für Otto Normalradfahrer ist die Durchschnittsgeschwindigkeit von knapp 54km/h auf der zum Teil engen und kurvigen Strecke! Wir lassen es etwas ruhiger angehen, vor allem wenn der Wind von der falschen Seite bläst...