14.07.2019,
majortom:
Die meisten unserer Berichte beginnen folgendermaßen: "Einigermaßen pünktlich um 9 Uhr brechen wir zur ersten Etappe auf." Aber wir sind in der Schweiz. Also brechen wir
auf die Sekunde pünktlich zur ersten Etappe auf. Und zwar als Kaltstart, denn nach 50 Meter Einrollen vom Hotel aus beginnt der Anstieg zum Lenzerheidepass. Und gleich nach den ersten 50 Metern begehe ich den ersten Navigationsfehler und wähle die falsche Ausfahrt aus dem Kreisverkehr. Bekanntlich steht in den Guide-Regularien, dass man sich einmal pro Tag verfahren darf, ohne Sanktionen erwarten zu müssen. Okay, das erhöht den Druck für den restlichen Tag. Die Navigation sollte heute bei einer Etappe über zwei Pässe nicht das allergrößte Problem darstellen.
Die Gruppe scheint hochmotiviert und preschen nach vorne davon, während ich dankbar bin, ein drei-Personen-Grupetto um mich scharen zu können. Marco hatte gestern recht mit seinem Hinweis, dass der Verkehr am Lenzerheidepass recht stark sein wird, und tatsächlich werden wir im Minutentakt von allerlei Urlaubern überholt. Dafür bekommen wir aber gleich zu Beginn eine schöne Aussicht über das Rheintal und die umgebenden Berge serviert. Das sonnige Wetter tut sein übriges. Es macht Spaß, auch wenn ein wenig mehr Einrollen vor dem Kaltstart gut getan hätte.
Der Lenzerheidepass ist ein Pass der Kategorie "ganz okay". Ein netter Auftakt, aber natürlich auch noch kein Monument. An der Passhöhe muss ich feststellen, dass sich meine Gruppe etwas dezimiert hat; Teile sind in die sportive Gruppe übergelaufen. Acht Teilnehmer bleiben mir jedoch treu, was mich sehr freut, und wir stürzen uns in die Abfahrt nach Tiefencastel. Wo dann auch sofort der Anstieg zum Albulapass beginnt. Der die Kategorie "Monument" wohl verdient hat. Es beginnt ganz Handzahm mit welligem bis hügeligem Terrain, dass dann jedoch – nach Passieren eines Festivals mit elektronischer Tanzmusik – recht unvermittelt in die erste Rampe übergeht. Der wohl schönste Teil des Passes; hier ist die Straße auf spektakuläre Weise an den senkrechten Abgrund geklatscht. Eine willkommene Gelegenheit für einen Fotostopp.
Kurz darauf erreichen wir Bergün (mit einem kurzen Pavé-Sektor), und am Ortsausgang wartet Sylvia mit einem opulenten Buffet auf uns. Dankbare hungrige Radfahrer scharen sich um allerlei Leckereien, und Sylvia ist ganz in ihrem Element. Herzlichen Dank für diesen fantastischen Service!
Und damit fehlen noch knapp 1000 Höhenmeter Albulapass. Das Mittelstück ist nicht mehr ganz so spektakulär, und leider macht sich bei mir der Trainingsrückstand bemerkbar, und ich kann der Gruppe nicht mehr folgen. Noch vor drei Wochen beim Vogesen-Wochenende hat ein Teilnehmer den Spruch geprägt: "Ich bin ein Waschlappen, und du bist ein Athlet." Heute bin definitiv ich der Waschlappen. Etwas besser wird es dann im oberen Teil hinter Preda, den zum einen wird es hier ein wenig flacher als zuvor, zum anderen sind wir nun in spektakulärer hochalpiner Landschaft unterwegs. Der Albula mag hart sein (besonders für Waschlappen), aber er ist auch einfach sehr schön. Und meine Gruppe empfängt mich äußerst gut gelaunt an der Passhöhe. Danke, es macht Spaß mit euch!
Womit nur noch die Abfahrt nach La Punt, sowie 12 flacher Kilometer nach Pontresina fehlen. Schon wieder muss ich die Gruppe auf mich warten lassen, diesmal liegt es jedoch an einem Platten, den ich relativ souverän im Straßengraben behebe. Im Engadin angekommen spannt sich dann dankenswerterweise Mark an die Spitze unserer Gruppe und zieht uns mit unwiderstehlicher Pace auf Pontresina zu. Bis wir dann den Fehler beghen, auf den Radweg parallel zur Straße zu wechseln, der uns aufgrund des Verkehrs auf der Talstraße als die bessere Alternative erscheint. Leider geht er kurz darauf erst in eine sogenannte Asphaltstraße mit ein bisschen Rollsplitt, dann in einen geschotterten Wanderweg, dann in einen Singletrail über. Der uns allerdings souverän bis kurz vor die Pforten des Hotels führt. Bemerkenswerterweise hält auch die Gute Laune noch an.
Nüchtern betrachtet allerdings auch kein großes Wunder nach einem tollen Tag in Graubünden bei besten äußeren Bedingungen.
Ursprüngliche Etappenbeschreibung:
Die Auftaktetappe führt uns quer durch Graubünden von Chur bis ins Engadin. Dabei werden zwei Pässe befahren, Lenzerheide und Albula – wobei vor allem letzter eine herrliche Landschaft bietet.
Von unserem Startort Chur aus wenden wir uns direkt nach Süden, wo sich die Bündner Alpen vor uns aufbauen. Der Lenzerheidepass ist mittelschwer und so der ideale Auftakt. Viele werden ihn jedoch nur als Aufgalopp für den sich anschließenden Albulapass sehen, der – zurecht – als einer der schönsten der Alpen gilt. Vom Ausgangspunkt Tiefencastel geht es zunächst am steil abfallenden Berghang entlang, dann jedoch in die einsame, hochalpine Landschaft der Albula-Alpen, begleitet von der beeindruckenden Rhätischen Bahn. Die Abfahrt ins Engadin ist nur kurz, und es sind nur noch wenige, leicht ansteigende Kilometer zu bewältigen, bis wir unser Etappenziel in Pontresina erreichen.
Option: Die Alp Lavoz ist ab Lenzerheide eine schöne Stichstraße. Insgesamt hat man so heute 93 km und 3200 Hm zu überwinden.