01.09.2019,
Jan:
Was für ein harter Tag im Nebel der Pyrenäen! Heute morgen war es trocken an unserem Startort, dem Hotel Source de la Nive im Niemandsland der Pyrenäen, das uns gestern Abend aufs Köstlichste mit regionalen baskischen Speisen verwöhnt hat. Handyempfang gibt's dort gar nicht, WLAN nur, wenn nicht zuviele Radfahrer ihre Tracks auf Strava hochladen wollen. Ein perfekter Ort also für eine Flucht vor Lärm und Hektik der Zivilisation.
Entsprechend geerdet waren wir also recht zuversichtlich, dass das Regenmassaker doch ausbleiben könnte. Nach eineinhalb Kilometer Einrollen befanden wir uns schon in der steilen Rampe des Col d'Arthaburu, den ich schon auf dem Baskenhammer, der Ruhetagsetappe der Pyrenäen-Geheimtipps mit 140 km und 4000 Hm kennen und schätzen gelernt habe. 7,2 km, 830 Hm, und darin noch ein kurzes Flachstück sprechen eine deutliche Sprache: Es ist ein baskischer Steilstich erster Güte. Heute ein Drecks-Steilstich, denn die vielen baskischen Kühe haben ihre Hinterlassenschaften bevorzugt auf der Straße verteilt. Und es ist nass. Es regnet nicht, aber der Nebel wird dichter. Für einen Kilometer folge ich Markus bei Steigraten um die 1350 Höhenmeter pro Stunde. Kurz folge ich Josef und Thomas, bei Steigraten um die 1150 Hm/h. Dann fält mir zum Glück auf, dass bei dem Abzweig gerade eben vielleicht nicht alle Teilnehmer der sportiven Gruppe wussten, wo's lang geht, so dass ich abreißen lassen kann und nochmal kurz umdrehe.
Mit dem schönen Nebeneffekt, dass ich fortan Gruppe 2 hinterhersetzen darf und noch ein paar Bilder schieße.
Der Anstieg ist wunderschön, das weiß ich von 2016, und heute sieht man davon: die nächsten 20 m bis zur Nebelwand. Die Nebel-Stimmung ist dennoch einzigartig. Frank erbarmt sich und schließt sich mir an bei meinem Versuch, wieder zu Gruppe 1 aufzuschließen. Bei 1050 Hm/h nicht ganz klar, ob das glücken kann. Aber doch, kurz vor der Passhöhe (wo wir 2016 in der Sonne gelegen haben und die Geier über uns kreisten, in Erwartung baldiger Verdurstungsopfer) schließen wir zum Grupetto auf, und wir können die Fahrt fortsetzen.
Es geht runter zur Iraty-Hochebene, aber die Straßen sind verdreckt und nass, und die Geschwindigkeitsspreizung auf diesem schweren Geläuf größer als im Anstieg, so dass wir uns aufteilen und gleich bis zur Mittagsverpflegung bei Eva freigeben. Es ist einfach zu kalt zum Warten, bei nur noch 9 Grad im Nebel.
Im Iraty ist es dann aber wieder klar, und wir wenden uns den 300 Hm zum Col Bagargui zu. Voll human, anders als die Gegenseite, die 20 % über längere Passagen aufweist. Zum Glück kein Problem für uns heute in der Abfahrt, aber ein größeres Problem für die beiden Reiseradler, die uns vollbepackt im Steilstück entgegenkommen. Der eine schiebend, der andere kämpfend, und auch nicht viel schneller als sein Leidensgenosse. Respekt!
Eva hat eine bei quäldich-Reisen schon häufiger verwendete Verpflegungsstelle angesteuert, von der ich gar nicht wusste, dass sie ein Bushäuschen bereit hält. Perfekt! So bleibt wenigstens das Essen trocken. Bei unserer Ankunft regnet es aber auch gar nicht mehr. Wir führen die Gruppe wieder zusammen und begeben uns in den letzten Anstieg des Tages: 1200 Hm am Stück zum Col de Soudet, nicht ganz so steil wie der Arthaburu, aber länger und einfach hart mit der Vorbelastung in den Beinen. Diesmal mache ich es besser und warte am Col de Souscousse aufs Grupetto. Martin und ich kämpfen uns ab hier gemeinsam nach oben. Es ist herrlich still, herrlich einsam, die Straße schmal, die Aussicht bei Null – wir können uns ganz auf unsere Qualen konzentrieren.
Am Col de Soudet wartet keiner. Ab hier sollte es gemäß Planung nur noch abwärts gehen, 38 km nach Oloron. Aber wir haben die Hoffnung, dass sich die Sonne am Col de la Pierre St Martin noch einmal aus dem Nebel herauskämpft, und so fahren wir die dreieinhalb Kilometer mit 200 Höhenmetern natürlich noch zum Pass, der einer der schönsten der Pyrenäen ist. Bei gutem Wetter. Leider schafft es die Sonne nicht durch die Wolken, und so stehen die anderen im dichtesten Nebel.
Eine rasante Abfahrt auf nassen Straßen führt uns nach Arrette, wo wir einen schnellen Café nehmen. Auch die ausdauernde Gruppe sammelt sich hier, nimmt aber keinen Café. Wir warten noch, bis Alex den Formel-1-Start im Stream verfolgt hat, und dann machen wir uns an die Verfolgung. Die Strategie ist einfach: Markus in den Wind, und der Rest versucht dran zu bleiben. Der Geschwindigkeitsüberschuss ist dann auch beachtlich. Sorry @Gruppe 2, dass wir nicht gegrüßt haben, ich musste mich konzentrieren. Wenig später hatten wir alle unsere Lektion in Demut gelernt, und wir entschieden uns, auf die herausgefallenen Mitstreiter zu warten. Die hatten aber glücklicherweise in der ausdauernden Gruppe Asyl gefunden (danke dafür), so dass wir als große Hybridgruppe nach Oloron einrollen konnten.
Ein harter Tag, mit einem infernalischen Finale.
Und morgen scheint die Sonne und dann steige ich wie Phönix aus der Asche!
Außerdem sind die Buchungen für die quäldich-Reisen 2020 eröffnet!
Ursprüngliche Etappenbeschreibung
Auch heute folgt wieder Pass auf Pass, auch heute sind die baskischen Namen wieder schwer auszusprechen. Es beginnt mit dem recht steilen Arranohegi, womit wir erstmal auf einer Art Hochplateau angekommen sind, so dass Col de Zurzai und Col de Bagargui uns nicht mehr so viele Höhenmeter bescheren. Aufpassen müssen wir in der steilen Abfahrt nach Larrau. Der zweite lange Anstieg des Tages führt über den Col de Soustousse zum Col de Soudet - wer ganz sicher die 3000 Höhenmeter knacken möchte, kann auch noch zum schönen Grenzpass Col de la Pierre Saint Martin hinauf fahren. Dann geht es aber bis in den Etappenort Oloron nur noch abwärts.