14.09.2018,
majortom:
Was für eine Etappe!
Eigentlich könnten wir das zu jeder Etappe schreiben. Jede einzelne hat uns bislang Momente geliefert, wo wir einfach nur staunend rechts ran fahren konnten und die grandiose korsische Bergwelt, die bombastischen Küstenstraßen, die idyllischen Kiefernwälder bestaunen. Gestern wurde die Restonica-Schlucht als absolutes Highlight der Insel angekündigt. Kann sie sich tatsächlich mit den bisherigen Etappen messen? Definitiv. Haben wir heute nochmal einen drauf gesetzt und eine würdige Königsetappe bestritten? Definitiv! Was für eine Etappe!
Sie beginnt mit Cruisen entlang der Küstenstraße, von Solenzara flach nach Norden. Ein Flachstück von 18 Kilometern, das hatten wir lange nicht mehr. Hatten wir das überhaupt mal irgendwann in den vergangenen sechs Tagen? Erinnerungsfetzen fliegen vor dem geistigen Auge vorbei wie wir durch die Ebene. Dann werden wir jäh auf den Boden der Realität zurück geholt. Ein paar Flipflops wurde am Start stehen gelassen! Ob sie inzwischen wieder aufgetaucht sind, war bei Redaktionsschluss nicht bekannt.
Dann die geradeste Straße der Welt auf die Berge zu. Immer wieder Hubbel, um die Autos auszubremsen. Sie lassen uns das geschundene Sitzfleisch spüren. Doch dafür führt uns die erste Kurve seit etwa zehn Kilometern dann gleich in die Schlucht Défilé de Irgendwas. Wieder mal Felsen, wieder mal eine spektakulär trassierte Straße, wieder mal Fotostopps. Inzwischen befindet sich das Peloton im Freigabe-Modus. Denny jagt mit Musikbegleitung wie ein Blitz aus Gruppe 3 heran und an uns vorbei. Bei uns werden die Attacken nur halbherzig ausgefahren; Tamara sichert sich mit einem Ausreißversuch direkt am Ende der Neutralisation heute die rote Rückennummer des angriffslustigsten Fahrers.
Recht gemütlich fahren wir bis Ghisoni, wo sich nach der ersten Hälfte des Anstiegs auch Denny wiederfindet. Er sitzt gemütlich in einer Bar und wartet auf seine Gruppe. Wir ausdauernden halten uns nicht lange auf und nehmen den zweiten Teil zum Col de Sorba in Angriff. Wieder mal Kiefernwälder. Schöne Straße, theoretisch gut zu fahren, nur beim Guide wollen die Beine nicht mehr so recht... Egal, denn Tamara beruhigt mich mit einer für mich in diesem Moment nicht ganz nachvollziehbaren (aber sicher korrekten) Rechnung, dass wir genau das Gruppe-2-Tempo fahren und alle anderen nur zu schnell sind. Wir haben noch 37 Minuten Zeit oder so... also alles ganz easy.
Cola und salziger Gift-Sprudel bei Sille, begleiten vom legendären Bergbuffet. Auch Pascal macht sich für seinen Etappenteil bereit, während der Guide auf einem Baumstamm sitzt und erstmal wieder mit sich selbst ins Reine kommen muss. Die Übernahme des Guidrucksacks durch Frank wird jedoch mit Verweis auf die Guide-Ehre ausgeschlagen. Abfahrt ins Innere der Insel, Serpentinen wie am Stilfser Joch. Nur schöner. Fotopausen obligatorisch.
Wir erreichen die Hauptstraße, die Bastia mit Ajaccio verbindet. Corte ist nicht mehr weit. Und glücklicherweise herrscht weniger Verkehr als befürchtet. Auf der Abfahrt sowieso recht locker, und auch im Gegenanstieg zum Col de Dingsbums wird tapfer weiter gequetscht. Und dann liegt Corte direkt hinter uns. Die Versuchung ist groß, direkt ins Hotel einzuchecken. Doch schließlich macht sich die gesamte Gruppe auf zum 1000-Höhenmeter-Anstieg das Restonica-Tal hinauf. Verdammt hart, aber es hat wohl keiner bereut.
Schmale Straße, tolle Landschaft, unrhythmische Steigung. Steile Rampen. Wir werden gefordert. Herrliche Restonica. Verdammt hart. Touristenchaos, mal wieder. Macht nichts, wir lassen uns von all den Autos kaum stören, genießen die Landschaft, sofern wir das überhaupt noch können. Dann eine brutale Steilrampe. Ist doch nur zwei Mal hintereinander der Eyserbosberg, versuchgt der Guide/Berichterstatter sich zu beruhigen. Doch den bin ich auch noch nie mit schon 2000 Höhenmetern in den Beinen gefahren. Brutal. Mit letzter Kraft erreicht der Guide die Passhöhe und wird mit Jubelrufen empfangen. Die Gruppe hat schon den Kühlschrank der kleinen Berghütte geplündert. Cola und Eau gazeuse. Und Begeisterung über einen wunderschönen Anstieg hinauf in die grandiose korsiche Bergwelt.
Und dann nur noch hinab nach Corte. Die anderen Gruppen kommen uns entgegen, auch sie sehen leidend und glücklich (bis auf Sabine, die ist nur glücklich) zugleich aus. Was für eine Etappe!
Da es morgen wohl keinen Bericht mehr geben wird, bedanken wir uns bei allen Lesern und verabschieden uns. Wir geben zurück in die angeschlossenen Funkhäuser. Comig Soon: Bald übernimmt dann Hagen wieder aus der Sierra Nevada, und anschließend geht es in den Winterschlaf.
Ursprüngliche Etappenbeschreibung
Korsika ohne die Restonica-Schlucht wäre nur ein halbes Erlebnis. Dieses Tal, das bis auf 1300 m hinauf in die Berge führt, startet von Corte, der historischen Hauptstadt Korsikas. Das heißt, wir haben mal wieder einen weiten Weg vor uns. Zunächst geht es entlang der Küste recht flach nach Norden bis Ghisonaccia, dann hinauf zum Col de Sorba, 1311 m hoch, in der Inselmitte gelegen. Unser Weg führt uns hügelig weiter nach Corte, dann geht es die Restonica hinauf – ein Anstieg mit immerhin knapp 1000 Höhenmetern. Diese Stichstraße kehren wir schließlich wieder um und übernachten in Corte.