15.08.2017,
Peter Uthmann:
Vorm Start des dritten Teilstücks zeigt sich das Hotel Arvenbüel wie am Vortag von seiner besten Seite und bei frischer Morgenluft und Sonnenschein lässt die Chefin es sich nicht nehmen, uns persönlich zu verabschieden. Mit schlechtem Gewissen rolle ich runter zum Walensee und fahre mit dreistelligen Geschwindigkeiten auf der breiten Autobahn Richtung Sargans, während die Teilnehmer die Abfahrt nach wenigen Metern verlassen und brutal steil bei einstelligen Geschwindigkeiten auf schmaler nur mittelmäßig asphaltierter Straße die Vordere Höhi erklimmen müssen. Die als grenzwertig angekündigte Abfahrt überstehen jedoch alle gut (so schlimm war sie wohl doch nicht) und machen sich danach auf Weg durchs Rheintal Richtung Luzisteig. Auf diesem kleinen Hügel haben wir die Verpflegung geplant.
Meinen großzügigen Vorsprung gegenüber der ersten Gruppe verpulvere ich damit, einen noch besseren Platz zu finden. Zu sonnig, zu vollgeparkt, zu viel Schotter und mit 100m hinter de Kuppe ist eine Bremsung der Abfahrtsfreude ebenfalls erforderlich... Dieses Unternehmen scheitert jedoch kläglich. Auf dem Rückweg meiner Suche in Maienfeld bemerke ich, dass wir quasi um die Ecke in Bad Ragaz 2014 im Swiss Heidi Hotel übernachtet haben und erinnere mich, wie wir dort in der örtlichen Bäckerei köstliche Bündner Nusstorte kaufen konnten. Diese will ich auch heute kredenzen und suche mir mühsam einen Parkplatz im verwinkelten Ort. Die Chefin hatte heute morgen noch gesagt, dass entgegen der gestrigen Ankündigung eines Teilnehmers im Kanton St. Gallen heute kein Feiertag ist. Leider habe ich kurz vor Maienfeld den Rhein überquert und bin nun schon in Graubünden, dem flächenmäßig größten Kanton der Schweiz. Die Bäckerei hat zu. Der ansässige Spar ehrt jedoch den Feiertag nicht und somit kann ich immerhin frisches Proteinbrot kaufen. Insgeheim ärgere ich mich, denn von der Marketing-Taktik "wir schreiben Protein drauf, dann klingt es gesünder und mehr Leute kaufen es" halte ich eigentlich wenig aber es sieht zu gut aus. Wieder oben am Parkplatz "Militärmuseum" am Luzisteig hat sich das Bild gewandelt. Es ist leer und die Bank liegt mittlerweile im Schatten, wo ich auch den Bulli parken kann. Nur der Schotter ist noch da und dieser jetzt auf einmal perfekt erscheinende Platz ist eine Bremsung in der Abfahrt auf jeden Fall Wert. Während ich alles vorbereite, quält sich die Jugend vom liechtensteinischen Skiverband auf Rollski den Anstieg hinauf und zuvor hat ein Biker-Klub die rasante aber verwinkelte Abfahrt für einen Videodreh genutzt. Die Locals scheinen diese Straße also auch zu schätzen.
Richtung Chur herrscht dann leider Gegenwind. Auch die Temperaturen befinden sich jenseits der 30°-Marke. Der lange Anstieg zur Lenzerheide beginnt noch im Ort und bietet dann im unteren Teil noch ein wenig Schatten aber je näher man der Passhöhe kommt, desto mehr weichen die Wälder dem Beton der Hotels des Skiortes. Die Straße ist sehr gut ausgebaut aber daher leider auch sehr gut befahren. Oben herrscht dann viel Trubel. Im Winter muss hier echt die Hölle los sein. Aber auch im Sommer wird die Gegend von Wanderern und Mountainbikern belagert. Im nächsten Jahr findet hier dann sogar die MTB-Weltmeisterschaft statt. Bei immer noch 25° auf 1549m Höhe bietet die rasante Abfahrt auch nur ein wenig Abkühlung. Aber dann ist es auch schon geschafft und wir sind irgendwann alle in Tiefencastel, wo wir für 2 Nächte die Zimmer beziehen und somit morgen nicht packen müssen. Und mittlerweile glaubt mir auch jeder, dass der kurze schwarze Abschnitt im Höhenprofil am Anfang der Lenzerheide nur ein Datenfehler war.
Oscar des Tages: Für das am stillvollsten gekleidete Guide-Duo, was ich bisher bei quäldich erlebt habe: Denny und Jens. Chapeau!
Grüße des Tages: Gehen dankend zurück an das Tom-Team von Paris-Nizza, welches unser Abendprogramm zuverlässig bereichert, Inspiration für eigene Berichte liefert und scheinbar verlässlicheres WLAN hat, weil die Berichte deutlich früher hochgeladen werden können ;)
Ursprüngliche Etappenbeschreibung
Am dritten Tag überfahren wir die Vorder Höhi ins Toggenburg und gelangen so ins Rheintal. Ab Chur bildet der Lenzerheidepass den Abschluss des Tages.
Es ist keine besonders lange Etappe, die uns heute erwartet, aber sie wirkt lang, denn es geht bis tief in die Rätischen Alpen hinein. Als erstes beenden wir jedoch, was wir gestern begonnen haben. Unsere Bergankunft in Arvenbüel war nämlich der erste Teil der Vorder Höhi – eines nahezu unbekannten Passes, der über den Höhenzug der Churfirsten hinweg ins Toggenburg führt. Und man weiß nicht, was Kopf und Beine mehr beansprucht: die vergleichsweile steile Auffahrt, oder die anspruchsvolle Abfahrt über eine schmale, holprige Straße. So oder so erreichen wir das Toggenburg, wo bis Wildhaus nochmal ein paar Höhenmeter erklommen werden wollen, und fahren ins breite Rheintal ab. Eine völlig andere Welt also, und wir wenden uns nach Süden und nehmen in der Ebene Tempo auf. Ein paar Kilometer fahren wir sogar durch Liechtenstein, und ein kleiner Hügel sorgt nochmal für ein wenig Abwechslung. Dann verengt sich das Rheintal mehr und mehr, und wir erreichen Chur. Es fehlt noch der Lenzerheidepass, die längste Auffahrt des Tages, bis wir die Etappe in Tiefencastel beenden.
Option: Kurz vor dem Ziel im Tiefencastel lockt mit der Alp Lavoz eine herrlich einsame Stichstraße. Die Etappe summiert sich so auf 119 km / 2750 Hm.