03.08.2017,
majortom:
Herzlich willkommen zur heutigen Berichterstattung über die Relaxed-Variante der Savoyer Alpen-Reise. Heute war die fünfte Etappe, die uns von Saint-Jean-de-Maurienne nach Annecy geführt hat. Aus den Hochalpen an den wunderschönen See Lac d'Annecy. Als Übergangsetappe verschrien, aber mit fast 100 Kilometern in der Regelplanung aka. Tour A dennoch ein ernstzunehmender Tagesabschnitt.
Es beginnt am Morgen im Schatten der großen Pässe. Beim Abendessen gestern (Polenta-Fans sind voll auf ihre Kosten gekommen...) hatten wir Tischsets, auf denen die Pässe aufgelistet sind, die man von
la capitale mondiale des cyclistes grimpeurs erreichen kann - eine beeindruckende Liste. Dennoch verabschieden wir uns heute von den Hochalpen und cruisen entspannt durchs Arc-Tal in Richtung Norden. Erlebt haben wir genug: Madeleine, abgehakt. Telegraphe, abgehakt. Lacets de Montvernier, abgehakt. Col du Galibier, abgehakt.
Zum Glück gibt es im Arc-Tal neben der Autobahn und der
route nationale auch noch eine Nebenstrecke, die zwar über einige Nupsis durch die Dörfer führt, dafür aber quasi verkehrsfrei ist. Nach den zwangsweisen Kilometern auf der Nationalstraße gestern zwischen Saint-Jean und Saint-Michel eine Wohltat. Es hätte wohl auch noch eine schnellere und kürzere Variante gegeben, denn einen Radler im neongrünen Trikot überholen wir gleich zwei Mal. Seis drum. Letzter Nupsi, und wir sind am Zusammenfluss von Arc und Isère. Geradeaus erhebt sich die imposante Chartreuse, weiter rechts die Südflanke des Massif des Bauges. Da müssen wir drüber. Den Einschnitt, den der Col de Tamié darstellt, sieht man schon von weitem. 600 moderate Höhenmeter - das geht.
Und tatsächlich treffen wir 600 Höhenmeter später auf das Verpflegungsmobil und Versorger Thomas, heute mit Praktikanten-Unterstützung. Der Tamié war nicht wirklich spektakulär, dafür aber sehr schön zu fahren. Die Bergpunkte in der ausdauernden Gruppe gehen an Team Austria - der Berichterstatter trägt seine Niederlage mit Fassung. Auf dem Tamié ist für die Variante A die Arbeit getan. Nicht so jedoch für die ausdauernde Gruppe (aus deren Sicht heute wieder mangels Co-Autoren berichtet wird), die noch den Col de la Forclaz auf der Speisekarte hat.
Es bewahrheitet sich alles, was ich gestern in der Etappenbesprechung angesagt hat. Nachteile Forclaz: Fiese steile Rampen. Die wider alle Vernunft den Pass rauf- und runterheizenden Gleitschirmflieger-Shuttles. Und eine gnadenlose Hitze, da der Pass am Südhang liegt und sich die Felslandschaft im unteren Bereich so richtig aufgeheizt hat. Vorteile Forclaz: Ein lebensrettender Brunnen zur Hälfte des Anstiegs. Eine eigentlich recht schöne Auffahrt (was kaum zu würdigen ist). Und als wichtigster Punkt auf der Habenseite die wirklich sensationelle Aussicht von der Passhöhe über den See. Die Strapazen haben sich gelohnt.
Nach der Abfahrt suchen wir dann noch das Strandbad auf, kühlen uns ab und rollen dann ins Hotel. Und ab an den See!
Weisheit des Tages:
"Würden sämtliche Berge der ganzen Welt
zusammengetragen und übereinander gestellt,
und wäre zu Füßen dieses Massivs
ein riesiges Meer, ein breites und tiefs,
und stürzte dann, unter Donnern und Blitzen,
der Berg in dieses Meer - na das würd spriten."
(Heinz Ehrhardt,
Der Berg)
Ursprüngliche Etappenbeschreibung:
Auf die gestrige Königsetappe folgt die längste Etappe der Tour, die mit Col de Tamié und Col de la Forclaz zwei Pässe bereit hält. Es lockt jedoch der Lac d'Annecy, der vom Forclaz schon grüßt.
Die längste Etappe steht auf dem Programm – knapp überschreitet sie die für viele vielleicht magische Marke von 100 Kilometern. Das relativiert sich jedoch gleich wieder, wenn man bedenkt, dass die ersten 50 Kilometer flach bis leicht bergab durchs Arc-Tal gehen. Es werden – nicht zuletzt dank des zu erwartenden Verkehrs – nicht die schönsten 50 Kilometer der Tour sein, allerdings ganz sicher auch nicht die härtesten. Der Col de Tamié, der uns Richtung Lac d'Annecy führt, ist dann auch schon wieder den Voralpen zuzuordnen und mit höchstens mittelsteilen 600 Höhenmetern für jeden zu machen. Und dann haben wir die Entscheidung: Flach am Seeufer entlang ins Ziel und ab in den See? Oder noch einen Pass mitnehmen, den Col de la Forclaz mit einzigartigen Ausblicken auf den See? Wie auch immer man sich entscheidet, uns erwartet ein denkwürdiger Abend in Annecy, das aufgrund seiner von Kanälen durchzogenen Altstadt auch das „Venedig der Alpen“ genannt wird.