06.04.2017,
majortom:
Wie sind wir bloß auf die Idee gekommen? schießt es mir vor dem Start um 8 Uhr 30 durch den Kopf. Da einige Teilnehmer der ausdauernden Gruppe heute die bei einer Standort-Reise jederzeit verfügbare Ruhetags-Option gezogen haben, kam irgendwoher den Vorschlag auf, die verbleibende ausdauernde Gruppe mit der sportiven Gruppe zu fusionieren. Also für mich ein Tag in einer semisportiven Hybridgruppe. Oha!
Nach Abwägung der Mistralprognosen für heute haben wir uns für die Tour durch die Gorges de la Nesque entschieden und in Erwartung eines erst ab Mittag auffrischenden Nordwindes die Abfahrtszeit auf 8 Uhr 30 vorverlegt, um noch einigermaßen gegenwindfrei die Passage nordwärts durchs flache Comtat bewältigen zu können. Der Plan scheint aufzugehen: kaum Wind bei der Abfahrt. Allerdings ist die Abfahrtszeit wohl zu knapp gewählt, denn nicht alle Mitglieder der ebenfalls ruhetagsdezimierten entspannten Gruppe erscheinen rechtzeitig zum Start. Na gut, bilden wir eben einen quäldich-Sprintzug und pedalieren die entspannte Gruppe wieder zusammen. Was trotz einiger Verfahrungswirren bis vor dem Einstieg in die Gorges de la Nesque gelingt. Der explorative Nupsi vorher entpuppt sich übrigens als idyllische Straße durch den Pinienwald... eine schöne Alternative zur Flachpassage über Pernes also.
Die ausdauernd-sportive Hybridgruppe pedaliert mich also vorbildhaft bis nach Villes-sur-Auzon, wo die Nesque-Schlucht beginnt. Flow kommt auf, es macht Spaß, und ich schöpfe Hoffnung, heute nicht völlig einzugehen inmitten all den südbadischen Bergziegen und schwäbischen Stahlwaden, mit denen ich unterwegs bin. Und die angenehm rollende Auffahrt in die Schlucht hinein lässt sich auch extrem gut fahren, wenn auch nicht ganz im Tempo meiner Mitstreiter. Schon gar nicht im Tempo eines AG2R-Profis, der in horrendem Tempo an uns vorbei rauscht. Die Landschaft ist grandios, strahlender Sonnenschein dazu, viel schöner könnte es nicht sein. Und an der Aussichtsplattform mit sensationellem Tiefblick in die Schlucht hinein und ebenso sensationellem Panorama eines ominösen Berges, den man hier andauernd sieht, wartet die Gruppe brav auf mich. Der Mont Ventoux ist übrigens inzwischen nicht mehr schneeweiß, sondern geröllgedönshellbraunfarben.
In der Passage nach Sault schlage ich mich wieder ganz achtbar bei hohem Tempo, bekomme dann allerdings in der Panoramarampe hinauf in den Ort erneut meine Grenzen aufgezeigt. Seis drum, wir fallen sowieso erstmal in das Restaurant ein, das uns bereits auf der Ventoux-Etappe am Montag vorbildlich bewirtet hat. Es ist halb zwölf, vor
midi könne man uns kein Essen servieren, teilt man uns mit. Nach einigen Minuten in der Sonne auf der Terrasse entscheiden wir uns, trotzdem hier zu essen. Wir haben ja Zeit, und
tagliatelles au sauce des cèpes klingt durchaus lecker. Was es dann auch ist, allerdings dauert es heute deutlich länger als am Montag, bis das Essen auf dem Tisch steht... was solls.
Die tempofeste Schwabenriege übernimmt in der folgenden Anfahrt zum Col de Liguière wieder das Kommando, und die Gruppe enthybridisiert sich infolge des Tempodiktats. Ich wieder am Ende, aber die Aussicht auf eine schöne, schnelle, lange Abfahrt hinunter in die Calavon-Ebene mobilisiert neue Kräfte. Herrliche, wenn auch holprige Abfahrt vom Liguière. Warum sind wir da nie raufgefahren? werde ich gefragt. Beim nächsten provenzalischen Saisonauftakt, verspreche ich. Vielleicht ja schon 2018...
Uns trennen noch 30 km vom Ziel in Isle, tendenziell bergab in der Tempogruppe benötigt das nicht viel Zeit, wie ich feststellen darf. Und auch den Gordes-Nupsi sowie den darauffolgenden Intervallnupsi bringe ich noch einigermaßen mit Anstand hinter mich. Yeah! Sensationeller Tag, hat großen Spaß gemacht, auch wenn ich an der einen oder anderen Stelle das Tempo nicht mitgehen konnte. Weihenstephan Hell und Bacon-Burger an der liebgewonnenen Frittenbude runden den Tag ab.
Ursprüngliche Etappenbeschreibung
Zum Auftakt befahren wir gleich ein landschaftliches Highlight der Region: die Gorges de la Nesque. Vom Col de la Liguière genießt man dann einen herrlichen Ausblick auf den Lubéron. Die sehenswerte Sorgue-Quelle in Fontaine-de-Vaucluse rundet den Tag ab.
L'Isle-sur-la-Sorgue liegt am Westrand des Plateau de Vaucluse. Hier täuscht der Name, denn eigentlich handelt es sich hier nicht um eine flache Hochebene, sondern um das zerklüftete, hügelige Gebiet zwischen Ventoux und Lubéron. Zunächst führt uns die Auftakttour jedoch in Richtung Norden, wo auf den ersten Kilometern der eine oder andere Hügel überquert werden muss. Ab Mazan wenden wir uns dann nach Osten, und in Villes-sur-Auzon beginnt die beeindruckende Nesque-Schlucht, wo sich die Straße immer höher über den Talgrund schraubt, so dass wir am Ende spektakuläre Tiefblicke genießen. Zum Ausgang der Schlucht ist der Aussichtspunkt eine Pflicht-Fotostop, denn hier sieht man den womöglich noch schneebedeckten Mont Ventoux in seiner ganzen Pracht. Sault, bekannt als östlicher Fußpunkt des Ventoux, bietet sich für eine Pause an. Die zweite Tageshälfte führt über Lavendelfelder zum Col de la Liguière, der auf der Nordseite nicht besonders schwierig ist. Umso schöner ist die Abfahrt, bei der sich der Lubéron-Höhenzug vor uns ausbreitet. Saint-Saturnin ist dann wieder Wendepunkt; ab hier geht es westwärts nach L'Isle zurück. Wer möchte, besucht zum Ende der Etappe noch Fontaine-de-Vaucluse, wo sich die Sorgue-Quelle, die größte Quelle Frankreichs, befindet.