15.09.2017,
majortom:
Übergangsetappe. Das Wort haben gestern viele benutzt, nachdem die Roadbooks für die heutige Etappe wie üblich während des Abendessens ausgeteilt wurden. Das stimmt natürlich, denn die Etappe über den Lubéron und auf das Plateau de Vaucluse ist unser Brückenschlag zwischen zweien der absoluten Highlights dieser Reise: der Verdonschlucht und dem Mont Ventoux. Und andererseits wird dieses Prädikat der Etappe – so viel ist im Ziel klar – nur bedingt gerecht. Denn wie so oft sind es die so genannten Übergangsetappen, die einen ganz eigenen, ganz besonderen Charme haben. Man legt Strecke zurück, und man sieht dabei, wie sich die Landschaft langsam verändert. Abseits der Touristenmagneten haben wir heute die authentische Provence durchquert, durch bewaldete Hügel, endlose Lavendelfelder, verschlafene Dörfer mit platanengesäumten Plätzen, karge Garrigue und duftende Kiefernwälder. Nur das Wetter hat heute nicht so ganz mitgespielt, bei bewölktem Himmel und recht kühlen Temperaturen.
Zu Beginn in Moustiers sind wir eigentlich noch mitten in den Alpen. Nicht mehr in den Hochalpen zwar, doch die Berge ringsum sind noch recht hoch. Das ändert sich bald, als wir in Richtung Westen aufbrechen, aufgrund der fast schon arktischen Temperaturen für provenzalischen Hochsommer ausgerüstet mit allem, was der Koffer an Beilningen, Jacken und anderen Accessoires so alles hergibt, sind wir schon bald in einer endlos scheinenden Hügellandschaft. Glücklicherweise haben wir die Teilnehmer gestern schon auf Gruppendisziplin eingeschworen, so dass wir die vielen Wellen heute vorbildlich in der ganzen Gruppe nehmen und jede Standzeiten vermeiden. Es rollt nach der ersten Welle schön nach Riez, dann folgen ein paar kleinere Wellen nach Valensole, und schließlich eine lange flowige Abfahrt ins Durance-Tal. Nach Tagen der Einsamkeit im Hinterland der provenzalischen Alpen fühlt sich das Verkehrschaos in Manosque ganz fremd an, doch es währt nur kurz, und schon cruisen wir wieder auf herrlichen kleinen Sträßchen südlich des Lubéron entlang. Nach den ganzen zermürbenden Wellen wird der erste längere Anstieg zum Col de l'Aire dei Masco regelrecht herbei gesehnt – zumal wir auch Erich mit seinem Buffetcruiser dort positioniert haben.
Angesichts des geringen Höhenunterschieds von etwa 200 Metern wird hier alles gegeben, vielleicht will die Gruppe aber auch einfach nur warm werden. Die Kälte ist es dann auch, die uns wieder zurück auf die Straße treibt, in die Abfahrt nach Cereste, wo meine entspannte Gruppe erst nochmal für ein Heißgetränk einkehrt. Das tut gut. Dann geht es das Calavon-Tal herunter, wie angekündigt zunächst auf der Landstraße, doch dann bis Apt auf den Bahntrassenradweg, der zwar abschnittsweise gut rollt, aber mit den ganzen Schikanen doch auch bei einigen für Frust sorgt. Immerhin erlaubt uns der Radweg, ohne größere Beeinträchtigung durch Ampeln und dergleichen an Apt vorbei zu rollen.
Apt ist ein Wendepunkt; von nun an geht es nordwärts auf Sault zu. Allerdings müssen wir noch hinauf auf das Plateau de Vaucluse, das sich als Geländestufe jenseits des Tals schon abzeichnet. Die flachen Kilometer nach Saint-Saturnin sind schnell zurückgelegt, und schon geht es hinein in den Col de Liguière, mit 600 Höhenmetern der längste und schwerste des Tages. Doch der Pass rollt gut, die Lanschaft ist einsam und idyllisch, und die Ausblicke zurück zum Lubéron-Höhenzug können sich auch sehen lassen. Und an der Passhöhe erscheint dann auch endlich der Mont Ventoux in voller Pracht, quasi zum Greifen nahe. Vorfreude auf morgen bricht aus. Heute jedoch müssen wir nur noch nach Sault hinab rollen, dann ist die zweitlängste Etappe dieser Rundfahrt Geschichte. Und morgen scheit wieder die Sonne!
Ursprüngliche Etappenbeschreibung:
Am sechsten Tag geht es durch die südliche Provence und über das Lubéron-Gebirge. Der Col de Liguière führt uns durch Lavendelfelder bis nach Sault östlich des Mont Ventoux.
Der Mont Ventoux ruft. Allerdings noch nicht heute. Noch trennen uns ein paar Kilometer vom Giganten, und wir bemühen uns, auch diese Kilometer so eindrucksvoll wie möglich zu gestalten. Es könnte heiß werden, wenn es zu Beginn der Etappe durch hügeliges Terrain von Moustiers nach Manosque im Durance-Tal geht. Hier verlassen wir jedoch das Tal gleich wieder und fahren auf den Höhezug des Lubéron-Gebirges zu, dem letzten Ausläufer der provenzalischen Alpen sozusagen. Der Col de l'Aire del Masco ist eine einsame schmale Passstraße, die das Gebirge überquert. So gelangen wir auf die
Véloroute du Calavon, einem auf einer ehemaligen Bahntrasse verlaufenden Radweg, dem wir bis in das hübsche Städtchen Apt folgen. Hier wenden wir uns nach Norden, auf das Plateau de Vaucluse zu, wo sich mit dem Col de Liguière nochmal ein beachtenswertes Hindernis in den Weg stellt. Spätestens wenn an der Passhöhe die Silhouette des Ventoux auftaucht, wird man jedoch nochmals Motivation tanken, um die Schlusskilometer bis Sault in Angriff zu nehmen.