04.09.2017,
Jan:
Oh, wow!
Das war eine Etappe. Nach den anfänglichen Organisationswirrungen blieb heute Nacht nur wenig Raum für Schlaf. Die Beseitigung der anfänglichen Organisationshürden nimmt nochmals etwas Zeit in Anspruch, so dass wir wieder erst eine halbe Stunde später los kommen. Macht aber nichts, die Stimmung ist gut, und es herrscht bestes Wetter in Niksic, der zweitgrößten Stadt Montenegros, Stammsitz der größten Brauerei (Niksicko) des Landes und auch nur ein größeres Dorf. Kein Wunder, hat doch ganz Montenegro nur 600.000 Einwohner.
Chef-Inspirator
Peter hatte die ersten 55 km als die verkehrsbelastetsten der ganzen Tour in schwärzesten Farben ausgemalt. Die Relität sieht anders aus. Selbst vor der Weggabelung nach Zabljak hält sich der Verkehr in engsten Grenzen, und hinter dem Abzweig sehen wir in Richtung Pluzine fast gar kein Auto mehr. Die Saison endet in Montenegro schlagartig am letzten Augustwochenende, und das ist seit heute zu Ende. Gar nichts mehr los. Peter hatte mir heute morgen noch relativ hektisch von der Nebenstraße über Bukovac berichtet, auf der man in die Piva-Schlucht hinab blicken kann. Die Expidition ist aber erfolgreich. 25 % der Expeditionsteilnehmer halten rechtzeitig an, um ein Foto zu machen. Nämlich Michael. Die anderen freuen sich umso mehr über seine Bilder und genießen unabhängig davon die traumhafte Nebenstraße, vorbei an Poljen in Karstlandschaft mit etwas weniger begeisternden Blicken in die tiefe Pivaschlucht, an dessen Grund türkis-farbenes Wasser leuchtet. Nach Ende der Nebenstraße steht der letzte Anstieg des in Stufen bergauf führenden Anfangsteils an. Oben wartet Charly mit dem Begleitbus, und bietet Pfirsiche, Äpfel, Nektarinen, Bananen und Burek feil. Und Wasser. Das ist besonders willkommen, sind doch schon 1000 Hm absolviert.
Die Abfahrt nach Pluzine läuft wie Sau, bis zum Tunnel. Absolute Schwärze, Vorantasten, Schimmer am Ende des Tunnels, Freiheit wiedergewonnen! Und hinab zum Piva-Stausee nach Pluzine. Pluzine ist ein Dorf mit eigenem Kfz-Kennzeichen.
Am Stausee beginnt der Anstieg zum Durmitor-Sedlo. Die sogleich schmale Straße verschwindet in einem grob in den Fels gehauenen Tunnel und gewinnt hernach mit herrlichen Rückblicken auf den Stausee durch viele weitere Tunnel schnell an Höhe. Der rotbraune Fels leuchtet in der Nachmittagssonne. Der härteste Teil des Anstiegs liegt vor Trsa, das wissen wir von Peter, auch wenn das Höhenprofil uns keine Auskunft darüber gibt.
Kurz vor Trsa nimmt die Steigung tatsächlich ab, der Wald tritt zurück, die unendliche, prärieartige Karstlandschaft breitet sich aus. Ein schneller Kaffee in Trsa muss sein, auch wenn ein kühler Wind pfeift, wenn die Sonne zeitweise von Wolken verdeckt wird. Herrlich, diese Weitblicke. Vor uns dräuen die alpinen Felsen des Durmitor-Gebirges. Und wow! Was für ein Licht. Gestochen scharfe Konturen im hellgrauen Fels, grün gesprenkelt vom hellen Moos und dunklen Krüppelkiefern. Die Gipfelregion ist der Wahnsinn. So schön wie der Galibier, so einsam wie der Pailheres, so gewaltig wie das Stilfser Joch. Man muss es gesehen haben. Und es ist so wie gestern in der Etappenbesprechung prophezeit: das Leiden tritt in den Hintergrund in Anbetracht dieser überwältigenden Landschaft.
Dennoch erreiche ich ziemlich fertig die Unterkunft in Zabljak, aber um halb sechs, nicht wie um halb acht gestern. So sind die Bilder schon vor dem Abendessen hochgeladen, und nach dem Essen bleibt noch Zeit für einen Bericht, auch wenn er dem Erlebten nicht ansatzweise gerecht wird.
Aber eins steht nach zwei Tagen fest: diese Reise kommt 2019 wieder ins Programm. Ich weiß, dass noch weitere Highlights folgen, aber allein für die zurückliegenden zwei Etappen lohnt die weite Reise in dieses abenteuerliche Land. Ich bin gespannt auf morgen, und ich bin gespannt, ob sich Mitstreiter finden für die
geile Extremrunde durch die Piva-Schlucht (O-Ton Peter).
Ich werde berichten.
Ursprüngliche Etappenbeschreibung
Es geht weiter nach Norden, Richtung Durmitor-Nationalpark, wo wir den wunderschönen Pass Durmitor Sedlo überqueren.
Wir lassen Niksic hinter uns und tauchen sofort wieder in die einsame Karstlandschaft ein. Das Terrain bleibt wellig, aber es sind sanfte Wellen in einsamer Landschaft.Etwa 60 Kilometer Anfahrt haben wir vor uns, bis wir Pluzine erreichen, einen Stausee überqueren und den Durmitor Sedlo vor uns haben. Dieser Pass durchquert den Nationalpark gleichen Namens, der über karge Hochebenen umgeben von schroffen Gipfeln führt. Ein Traum. Die Abfahrt führt uns direkt in den Zielort Zabljak, Wintersport- und Kurort, wo wir gleich zwei Nächte bleiben.
Höhenmeter: ca. 2700