11.10.2014,
Jan:
Heute erwartet uns erstmals bedeckter Himmel vor dem Hotel in La Calahorra. Regen ist nicht unwahrscheinlich, und es bläst ein strammer Wind aus Richtung Puerto de la Ragua, den wir am zweiten Tag schon aus der umgekehrten Richtung entgegen gefahren, aber oben umgedreht sind.
Heute steht die laut Hagen deutlich schönere Auffahrt aus Richtung Norden auf dem Speiseplan. Wir sehen es mit den Gruppenabständen wieder nicht so eng, und setzen der 08/15-Gruppe recht zügig nach, was sich später noch rächen soll.
Die Auffahrt auf den Ragua ist ein Traum. Immer wieder eröffnen sich im lichten Kiefernwald weite Tiefblicke in die Hochebene rund um unseren Startort, auch die Palastburg ist gut zu sehen. Die Straße wird schmal, sehr schmal, und für die wenigen Autos müssen wir in Einerreihe gehen, damit sie uns überholen können. Wir schlagen ein gutes Gruppentempo an und genießen die Auffahrt im Verband. Auf einmal sind einige nicht mehr ganz einzubremsen. Gernot zieht davon, weil es ihm in der Gruppe zu schnell ist. Ulf fühlt sich herausgefordert und setzt ihm nach. Wenn Ulf geht, muss auch Lutz gehen. Und wenn Lutz geht, muss eigentlich auch ich gehen, aber ich halte mich lange zurück. Als wir sie aber kurz vor dem tieferen Taleinschnitt, der die letzten paar Hundert Meter auf den Ragua zuführt, sehen, kann ich mich auch nicht mehr halten.
Oben ist es empfindlich kalt, und Eule mahnt uns zur Eile. Wir werfen uns Windweste und Ärmlinge über und ziehen weiter. Die schon von Dienstag bekannte Abfahrt lässt sich heute noch langsamer an – der Wind ist deutlich stärker. Bis Laroles kennen wir die Abfahrt und können sie erneut genießen. Danach wird sie fast noch schöner: Rollerpassagen wechseln mit technischen Abschnitten ab, in denen die Kurven eng aufeinander folgen.
Es schließt sich ein welliger Abschnitt zum Embalse de Benínar an, der wiederum herrlich durch Sandsteinschluchten führt.
Lutz' Reifen wirft Beulen und muss ersetzt werden. Natürlich hat der Guide einen dabei.
Der Stausee liegt traumhaft schön in der kargen Sierra-Landschaft. Hier war eigentlich die erste Verpflegung vorgesehen, aber da wir erstens zu früh los sind, und zweitens die Gruppe 2 vor dem Ragua noch in der Apotheke war, ist hier keiner und wir fahren vorbei in den zweiten Anstieg des Tages, der sich insgesamt über fast 1000 Hm erstreckt und im Gipfelbereich ein sehr welliges Profil aufweist.
Ich habe das Wort traumhaft schon zu oft benutzt, aber auch hier ist es einfach so. Der See liegt herrlich unterhalb des Kiefernwaldes, durch den wir wiederum fahren, die Straße ist kehrenreich und sportlich, aber nicht zu fordernd. Einfach schön. Wir investieren etwas Zeit und setzen ein Kalenderbild in Szene.
Aber wir sind nun schon 1500 Hm gefahren, und langsam bräuchten wir etwas zu essen. Und auch wenn es nicht sonderlich heiß ist: die Wasservorräte beginnen zu schwinden. Völlig unerwartet in dieser gottverlassenen Gegend erscheint ein Ort am Horizont: Turón. Auch wenn die Straße vorbeiführt, ich entscheide mich, hineinzufahren und nach einem Café zu suchen. Den Hauptabzweig verpassen wir, der nächste ist nur eine schmale Betonpiste, die aber direkt auf eine kleine Bar zuführt. Timing, Teil 1.
Die Wirtin ist entweder von unserer Gruppe oder von meinem nicht vorhandenen Spanisch überfordert, aber immerhin schaffen wir es, sieben
ungekühlte 1,5 l-Wasserflaschen, Cola und einige Hörnchen zu erstehen. Gut befüllt fahren wir weiter und setzen immer noch der 08/15-Gruppe nach, die seit Lutz' Platten vor uns fährt.
Das Meer liegt kurz vor dem Hauptgipfel tief unter uns, und oben fahren wir auf die mittlere Gruppe auf, der wir mit etwas Wasser aushelfen können. Auch sie sehnen natürlich die Verpflegung herbei. Einer unserer Teilnehmer wird langsam nervös, weil Christine nicht in Sicht kommt, und er um seinen Magnesiumhaushalt bangt. Ein kurzes Telefonat bringt die freudige Botschaft: sie wird in 10 Minuten an der verabredeten Stelle sein.
Über dem Tal zu unserer Rechten regnet es heftig, und dahin wollen wir. Dort liegt Berchules, unser heutiger Etappenort, in dem wir auch schon nach Etappe 2 übernachtet haben. Auch uns treffen die ersten Tropfen.
Zwei Wellen später fahren Karsten und ich in Reihe 1 und philosphieren über den genauen Ort der Verpflegung, und sind uns einig, dass er an der nun auf dem Garmin-Display erscheinenden Kreuzung sein sollte. Wir kommen näher, und Karsten meint: "Nö. Da ist keiner." In diesem Moment hupt es hinter uns. Christine und Eule sind da. Sie wurden noch von einer Ziegenherde aufgehalten, und der Versuch, durch sie hindurch zu fahren, wurde von den blutrünstigen Hirtenhunden vereitelt. Timing, Teil 2. Es wird wieder heller, der Regen scheint abzuziehen. Timing, Teil 3. Wir stehen noch lange in der Schutzhütte, verpflegen uns ausgiebig, und lassen den Regen fortziehen. Die Abfahrt hinunter nach Cádiar ist schon wieder trocken, und ähnlich wie am Veleta fühlen wir uns im freien gen Tale. Im Gegenanstieg fährt uns ein Kleinwagen mit lauter Umzumz-Techno-Musik auf, der 180er-Beat spornt uns an. Leider zieht er bald vorbei, und wir biegen in den letzten 300 Hm-Anstieg zum Etappenziel ein, der natürlich in ein leichtes Gemetzel mündet.
Gerade, als wir das Hotel erreichen, fängt es an zu regnen. Timing, Teil 4.
Oben ist natürlich noch kein Gepäck da, aber ein Handtuch reicht als Kleidungsstück aus, und wir gehen erstmal Duschen. Insgesamt standen 2700 Hm zu Buche, wir sind platt und legen uns ganz profimäßig aufs Bett, das wir bis zum Abendessen nicht mehr verlassen.
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