27.08.2015,
Jan:
Früh beim Aufwachen im kleinen Bergdorf Marmora schmückte keine Wolke den Himmel über uns, womit klar war, dass die Königsetappe bei wunderbarem Wetter stattfinden konnte. Los ging es mit dem letzten Stück der Dei Morti-Abfahrt hinunter nach Ponte Marmora, die mit zwei kurzen Tunneldurchfahrten aufwartete. Den Belag noch als Belag in den Tunnel zu bezeichnen, wäre vermessen gewesen, weshalb es absolut erforderlich war, genau in der Mitte zu fahren, wo noch halbwegs Asphalt vorhanden war. Diese Stellen meisterten alle bravorös, so dass es wenige Kilometer später in die Elvaschlucht, dem Highlight dieses Tages gehen sollte. Ein Traum von einer Schlucht, garniert von einer Straße, die rechts der Schlucht an die Hänge geklebt wurde und dies nahezu autofrei. Die Straße ist mittlerweile für den motorisierten Verkehr gesperrt, dennoch kamen uns zwei Autos und ein paar Motorräder entgegen. Dass die Schlucht recht steil war, störte hier wohl kaum einen Radler, jeder war so fasziniert von der tollen Landschaft. Kurz nach Einfahrt in die Elva-Schlucht musste ein 400 m langer, unbeleuchteter Tunnel durchfahren werden, im weiteren Verlauf kurze Felstore und einige sehr kurze Tunnel. Je weiter man die Schlucht nach oben kam, wurde die Schlucht tiefer und die steil abfallenden Hängen länger: einfach nur grandios. Nach einigen Kilometern neigte sich die Schlucht entgegen und es ging zunächst recht baumreich in Richtung Elva und kurz nach Elva schloss sich der wunderschöne Weidenteil im oberen Bereich des Sampeyre an. Dieser zog sich recht geradlinig, die Passhöhe fast immer im Blick, nach oben. Wunderbare Panoramablicke waren möglich, vor allem Richtung Elva. Während die schnelleren noch die Passhöhe wohl in der Sonne verbringen konnten, zog vom Valle Varaita, das heißt von der anderen Seite, so langsam Wolken- und Nebelschwaden über den Pass hinweg und sorgten für eine ganz andere Stimmung. Eine letzte italienische Abfahrt trennte uns jetzt noch vom Valle Varaita bzw. dem Agnel. Und was italienische Abfahrt bedeutet, konnten wir gestern vom Dei Morti herunter live miterleben. Nun muss man den Italienern zugutehalten, dass deren Abfahrten nicht immer von schlechter Qualität sind, aber eben die beiden Abfahrten, die wir gestern und heute zurückgelegt haben. Es wird Zeit, dass der Giro d`Italia über diese Pässe kommt oder Jan muss bei der Regionalregierung intervenieren und auf einen neuen Belag bestehen. Durchgeschüttelt von der Abfahrt nahmen die schnellen praktisch ohne Pause den Weg hinauf zum Agnel, die anderen Gruppen nahmen den Stop in Sampeyre dankend an, standen immerhin noch 31 km und 1800 Hm bergauf am Stück an.
Frisch gestärkt oder auch nicht, ging es in den Flachteil bis Chianale. Die Züge in den Gruppen bis dorthin wurden aufgebaut, so dass die Kilometer nur so verflogen. Casteldelfino, Pontechianale, der Stausee kurz danach und dann Chianale wurden durchfahren und dann begannen die finalen 9 km und knapp 900 Höhenmeter zum Pass. Schnell wurde aus der Gemeinschaft ein loser Haufen an Einzelkämpfern. Manche kämpften zusammen, andere mussten und wollten alleine ihren Tritt finden und ihren persönlichen Kampf mit dem Berg ausfechten. Alle gewannen ihn bravorös und kamen freudestrahlend oben an. Allerdings musste man auch am Agnel feststellen, dass die schnelleren noch sehr gutes Wetter hatten und die Passhöhe schon von weitem ausmachen konnten, die Gruppe 2 konnte sie nicht einmal mehr erahnen, denn im oberen Teil zogen Nebelschwaden auf. Während die Passhöhe und die französische Seite nebelfrei waren, hüllten sich 3 bis 4 Kilometer in dieses Kleid. Fluch oder Segen für die Radler nicht die Passhöhe zu sehen, der Nebel sorgte für ein schönes Schauspiel, der starke Wind bergauf blies immer wieder Nebelschwaden über die Passhöhe auf die andere Seite. Leider war so auch der Monte Viso nicht zu sehen, den wohl heute keine zu Gesicht bekommen hat. Man kann nicht alles haben, dafür endlich eine wunderschöne Abfahrt, die Abfahrtsgenuss aufkommen ließ. Guter Belag, der Sonne und dem Ziel entgegen.
Einige Randnotitzen am Ende: Das Wetter soll so bleiben, keine Platten trotz Rumpelabfahrt und einem Teilnehmer konnte die Tour auch gerettet werden. Er hatte ein Schaltröllchen am Schaltwerk verloren und sah seine Felle schon davonschwimmen. Mit tatkräftiger Hilfe eines frankophilen Teilnehmers, des netten Besitzers unserer Unterkunft und einiger Anrufe konnte das Teil samt Schraube in einem Radladen in der Nähe besorgt werden, so dass auch Steffen, der Unglückliche und jetzt Glückliche wieder freudestrahlend stolz auf den Tag sein konnte und sich auf die noch folgenden Tage freuen kann.